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Marx fuer Eilige

Marx fuer Eilige

Titel: Marx fuer Eilige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Misik
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Bösewichte erschienen Kapitalisten im Œuvre von Marx nur, wenn sie ihre ökonomische Macht zum Gewinn von politischer Macht – und diese wiederum zur Verteidigung eines anachronistischen sozialen Status quo – benützen. Dann stößt der Revolutionär Marx Blitze aus gegen »die Herren von Grund und Boden und die Herren von Kapital«, die »ihre politischen Privilegien stets gebrauchen (werden) zur Verteidigung und zur Verewigung ihrer ökonomischen Monopole«. 86
    Wie wenig Kompromisse Marx schlußendlich in seiner Ergründung des »naturgeschichtlichen« Prozesses der kapitalistischen Gesellschaftsformation mit dem »Scheißpositivismus« 87 (Brief an Engels, 1866) macht, zeigt schließlich der Umstand, daß er das »Kapital« mit dem komplizierten Kapitel über »die Ware« beginnen läßt. Es kommt anders als jenes über die Verwandlung von Geld in Kapital oder jenes über die Produktion von Mehrwert ohne allzu viele Formeln aus, setzt dafür aber beim Leser eine Sensibilität für Marx’ Spiel mit philosophischen Paradoxien voraus. Marx schält die beiden Seiten eines beliebigen |98| Produktes, das zur Ware wird, epigrammatisch auseinander – den Umstand nämlich, daß es sowohl über einen Gebrauchs- wie auch Tauschwert verfügt – und führt aus, daß der Tauschwert den Gebrauchswert zwar voraussetzt, doch nur der Tauschwert die Ware zur Ware macht, weil er ermöglicht, daß sie sich gegen Waren anderer Art und gegen die eine »spezifische Warenart« – die »Geldware« – austauscht. Dann stößt er uns kurz darauf, daß all diese Waren, was immer sie unterscheidet, eines gemeinsam haben, in sie ist Arbeit investiert, deren Quantum allein die Größe des Wertes bestimmt. Anschließend nimmt Marx sich den »Fetischcharakter der Ware« und sein »Geheimnis« vor. »Die Ware«, heißt es hier, »erscheint auf den ersten Blick ein selbstverständliches, triviales Ding. Ihre Analyse ergibt, daß sie ein sehr vertracktes Ding ist, voll metaphysischer Spitzfindigkeit und theologischer Mucken.« (MEW 23, S. 85) Es begegnet uns nun der Argumentationsmodus wieder, den wir aus den
Pariser Manuskripten
schon kennen. »Das Geheimnisvolle der Warenform besteht also einfach darin, daß sie den Menschen die gesellschaftlichen Charaktere ihrer eigenen Arbeit als gegenständliche Charaktere der Arbeitsprodukte selbst, als geschichtliche Natureigenschaften dieser Dinge zurückspiegelt, daher auch das gesellschaftliche Verhältnis der Produzenten zur Gesamtarbeit als ein außer ihnen existierendes gesellschaftliches Verhältnis von Gegenständen.« (MEW 23, S. 86) Aus der
Entfremdung
wird der
Warenfetisch
– der Umstand, daß Produkte, wie
Götzen
, von Menschen produziert, als wären sie mit eigenem Leben beseelt, auf Menschen reagieren und wieder menschliche Reaktionen hervorrufen. Wie |99| von Geisterhand bewegt, weichen sie zurück, je mehr die Menschen nach ihnen streben. »Hier scheinen die Produkte des menschlichen Kopfes mit eigenem Leben begabte, untereinander und mit den Menschen in Verhältnis stehende selbständige Gestalten. So in der Warenwelt die Produkte der menschlichen Hand. Dies nenne ich den Fetischismus.« (MEW 23, S. 86) Im Tauschwert entwickeln die Waren »eine von ihrer Realität verschiedne phantastische Gestalt« (MEW 23, S. 92), der Wert steht den Waren »nicht auf die Stirn geschrieben«, verwandelt jedes Produkt »in eine gesellschaftliche Hieroglyphe«, die die Menschen nicht mehr zu entziffern vermögen. Sie setzen Waren, in die gleiches Quantum Arbeit investiert ist, zwar einander gleich, »sie wissen das nicht, aber sie tun es« (MEW 23, S. 88). Ein Holztisch, »ein ordinäres sinnliches Ding«, verwandelt sich, sobald er als Ware auftritt, »in ein sinnlich übersinnliches Ding« und »entwickelt aus seinem Holzkopf Grillen, viel wunderlicher, als wenn er aus freien Stücken zu tanzen begänne« (MEW 23, S. 85). Dies gilt für den Holztisch wie für das Stück Land, für Perlen und für Diamanten. »Bisher hat noch kein Chemiker Tauschwert in Perle oder Diamant entdeckt.« (MEW 23, S. 98) Der Wert, dieser »Mystizismus«, all der »Zauber und Spuk« (MEW 23, S. 90), hat also – dies die Pointe von Marx’ so eloquenter wie amüsanter Schilderung – nichts zu tun mit der sinnlichen Beschaffenheit der Dinge, er sitzt nicht im Edelstein, er wächst nicht aus dem Boden und auch nicht aus dem Holz, sondern aus der Gesellschaft.
    Die warenproduzierende Gesellschaft unterscheidet sich durch

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