Mary Poppins
bleibt Löwe!
»Sieht meine Mähne nicht hübsch aus?« fragte der Löwe im Gehen. »Ich hab mir für diese Gelegenheit frische Dauerwellen machen lassen!«
Jane betrachtete ihn. Sie sah, daß seine Mähne sorgfältig geölt und in Locken gelegt war.
»Sehr schön!« sagte sie. »Aber ist es nicht ungewöhnlich für einen Löwen, sich mit solchen Dingen abzugeben? Ich dachte – «
»Was? Meine liebe, junge Dame, du weißt ja: Der Löwe ist der König der Tiere. Er muß auf seine Stellung bedacht sein. Ich jedenfalls vergesse das nie. Ein Löwe, finde ich, sollte immer und überall eine gute Figur machen. Hier entlang, bitte!«
Und mit einem anmutigen Wink seiner Vorderpranke deutete er auf das große Raubtierhaus und führte die Kinder zur Eingangstür.
Bei dem Anblick, der sich ihnen hier bot, hielten Jane und Michael den Atem an. Die große Halle war gedrängt voll von Tieren. Einige lehnten an der langen Schranke, die sie von den Käfigen trennte, andere waren auf die Sitze der gegenüberliegenden Stuhlreihen geklettert. Da gab es Panther und Leoparden, Wölfe, Tiger und Antilopen, Affen und Igel, Beutel- und Murmeltiere, Bergziegen und Giraffen. Möwen und Geier bildeten eine riesige Gruppe für sich.
»Großartig, nicht wahr?« sagte der Löwe stolz. »Ganz wie in den lieben Dschungeltagen. Aber kommt weiter – wir müssen uns einen guten Platz suchen!«
Und er bahnte sich einen Weg durch die Menge, indem er immer »Platz da! Platz da!« rief und Jane und Michael hinter sich her zog. Endlich konnten sie durch eine kleine Lücke in der Mitte der Halle einen Blick auf die Käfige werfen.
»Aber«, sagte Michael und sperrte vor Staunen den Mund auf, »die stecken ja voller Menschen!«
Und so war es auch.
In einem Käfig wandelten, in Zylinderhut und gestreifter Hose, zwei große Herren mittleren Alters auf und ab und starrten ängstlich durchs Gitter, als ob sie auf etwas warteten.
In einem anderen Käfig krabbelten, vom Baby im Tragkleid an, Kinder aller Art und Größe herum. Die Tiere draußen beobachteten sie mit großer Neugier, und einige von ihnen versuchten, die Kleinen zum Lachen zu bringen, indem sie ihre Pfoten oder ihre Schwänze durch die Gitterstäbe steckten. Eine Giraffe reckte ihren langen Hals über die Köpfe der anderen Tiere hinweg und ließ ihre Nase von einem kleinen Jungen kitzeln.
In einem dritten Käfig saßen drei ältere Damen in Regenmänteln und Galoschen gefangen. Eine von ihnen strickte, aber die beiden anderen standen dicht beim Gitter, schrien die Tiere an und stießen mit ihren Regenschirmen nach ihnen.
»Widerliches Viehzeug! Macht, daß ihr fortkommt! Ich möchte endlich meinen Tee haben!« schrie die eine.
»Ist die aber komisch!« sagten ein paar von den Tieren und lachten laut über sie.
»Jane – sieh nur!« rief Michael und zeigte auf einen Käfig am Ende der Reihe. »Ist das nicht –?«
»Admiral Boom!« rief Jane, aufs höchste überrascht.
Es war wirklich Admiral Boom. Er tobte in seinem Käfig herum, hustete, putzte sich dröhnend die Nase und kochte vor Wut.
»Verdammt noch mal! Alle Mann an die Pumpe! Land, ahoi! Abdrehen, ihr dort! Verdammt noch mal!« schrie der Admiral. Sooft er ans Gitter kam, stupfte ein Tiger ihn sacht mit einem Stock, und das brachte den Admiral schrecklich zum Fluchen.
»Aber wie sind sie alle in den Käfig gekommen?« fragte Jane den Löwen.
»Verlorengegangen!« erwiderte der Löwe. »Oder vielleicht zurückgelassen! Es sind Leute, die getrödelt haben und mit eingeschlossen wurden, als man die Tore schloß. Irgendwo muß man sie unterbringen. Darum halten wir sie hier. Der ist gefährlich – der dort! Vor noch nicht langer Zeit hätte er beinahe seinen Wärter umgebracht. Geht nicht zu dicht an ihn heran!« Und er deutete auf Admiral Boom.
»Zurücktreten, bitte! Nicht drängeln! Platz machen, bitte!« hörten Jane und Michael einige Stimmen laut rufen.
»Ah – jetzt werden sie gefüttert!« sagte der Löwe und drängte sich aufgeregt durch die Menge.
»Da kommen die Wärter.«
Vier braune Bären, die Schirmmützen trugen, fuhren Karren mit Speisen den schmalen Gang entlang, der die Tiere von den Käfigen trennte.
»Zurück! Platz da!« riefen sie, sobald ihnen ein Tier im Wege stand. Dann öffneten sie in jedem Käfig eine kleine Tür und schoben das Essen auf Gabeln hinein.
Durch eine Lücke zwischen einem Panther und einem Dingo konnten Jane und Michael genau verfolgen, was vorging.
Zu den Babies wurde
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