Marzipaneier (Junge Liebe)
geht, na?
„Du bist so scheiße!“
„Habt ihr das gehört?“
Sie brechen in provozierendes Gelächter aus. Ich kann nicht mehr. Ich gehe durch die Hölle. Ich muss lernen, ihr Geschwätz nicht mehr für bare Münze zu nehmen. Leicht gesagt. Wenn ich jedes ihrer Worte auf die Goldwaage legen würde, käme ich aus dem Wiegen nicht mehr raus.
Hey Jungs, ihr werdet euch von seinem Gelaber doch nicht beeinflussen lassen, oder? Ohne weitere Worte gehen sie ins Klassenzimmer und lassen mich unbeachtet stehen. Ich sollte ihnen folgen, versuchen es aufzuklären. Aber es würde keinen Sinn haben. Was Schwule betrifft sind sie stur und unerbärmlich. Kann man so was Freundschaft nennen? Sie geben auf das Geschwätz eines redegewandten Mitschülers mehr, als auf mich. Ich werde nicht einmal um ein Statement gebeten. Sprachlos setze ich mich an meinen Platz. Ich spüre wie sie lästern. Hinter meinem Rücken stehen sie beisammen und flüstern. Wer flüstert, der lügt. Sie sind so fies. Mark setzt sich neben mich ohne ein Wort zu sagen. Es ist grausam.
Die Tage vergehen und es wird nicht besser. Im Gegenteil. Eher schlimmer. Marks Mobbingversuche waren nichts gegen die der ganzen Klasse. Ich muss hilflos mit ansehen, wie ich peu á peu alle meine „Freunde“ verliere. Ich kann mitfühlen wie es Verena die Jahre über ergangen sein muss. Wir waren so gemein zu ihr, nur weil sie sich nicht so verhalten hat, wie wir es von ihr erwartet haben. Sie hat immer ihr eigenes Ding durchgezogen. Eigentlich ist es bewundernswert, wenn Leute nicht mit dem Strom schwimmen.
Keiner ergreift Partei für mich und falls es einen gibt, der meinen Standpunkt vertritt, hält er sich bedeckt. Mein Kopf ist leer. Sie meiden mich gezielt, stehen wo ich nicht stehe, und verbreiten Gerüchte über mich. Überall. Egal, ob sie frei erfunden sind, oder Dinge hinzudichten. Ich habe keine Kontrolle darüber und kann nicht feststellen, was sie Falsches und Mieses über mich erzählen. Ich bin es gewohnt die Fäden in der Hand zu halten, aber alles gleitet mir aus den Händen. Wenn ich über den Schulhof gehe, habe ich das Gefühl, dass jeder über mich lästert. Ich kann es mir zwar auch einbilden, aber ich fühle mich unwohl dabei. Kinder lachen, Teenies sprechen mit vorgehaltener Hand, wenn ich an ihnen vorbeigehe und ich habe immer den Eindruck von allen gehänselt zu werden. Jeder scheint mich wie einen Aussätzigen zu begaffen. Von der Clique bin ich ausgeschlossen. Es ist mir nicht möglich, in Kontakt mit ihnen zu treten. Ich habe es versucht. Doch jedes Mal, wenn ich mich zu ihnen stelle, lösen sich diese Lackaffen in alle Himmelsrichtungen auf, oder schweigen sich aus, wenn ich in ihre Nähe komme. Meine Nachbarn blocken jedes Mal ab, wenn ich mit ihnen ins Gespräch kommen will.
Bens Urlaub macht es mir nicht leichter. Mir fehlt jemand zum Festhalten. Gerade jetzt ist er nicht da. Ich bin auf mich gestellt. Cora ist unerreichbar. Äußerlich gewappnet für die nächsten Angriffe und Seitenhiebe drohe ich innerlich zu zerbrechen. Ich kann nicht kapieren, warum homosexuelle Beziehungen in der Gesellschaft immer noch nicht akzeptiert werden. Wir leben in einer toleranten Weltstadt und ich stoße trotzdem überall auf konservative Trottel. Wissen die Menschen, was sie Leuten wie mir durch diese Ungerechtigkeiten antun? Sie müssen es nicht als gut bezeichnen. Das verlange ich nicht einmal. Ich möchte lediglich akzeptiert werden. Versteht das denn niemand? Ich kann doch auch nichts für meine Gefühle. Es sind nicht mehr viele Tage und ich fürchte mich vor Montag.
Mein Leben ist jetzt voll und ganz auf Schule geeicht. Ich lerne viel. Im Unterricht macht es sich sogar schon bemerkbar. Meine mündliche Mitarbeit zeigt Erfolg. Die Lehrer loben mich, was meinen Klassenkameraden ein weiterer Dorn im Auge ist. Das führt so weit, dass sie meine Aussagen grundsätzlich versuchen in der Luft zu zerreißen. In Deutsch geht jedes Mal ein Raunen durch die Reihen, wenn ich mein Wissen zum Besten gebe. Dann geben sie mir immer wieder contra.
Zum Training gehe ich nicht. Bin letzte Woche rausgeflogen. Die Mannschaft hat versucht mich zu reinigen , wie sie es so schön bezeichneten. Sie haben mich unter die Dusche gezogen, mich hin- und her geschubst, eingeseift und nass gespritzt. Es hat nichts geholfen. Anschließend meinte der Coach, er müsse mich rauswerfen. Seiner Auffassung nach haben ‚Männerficker’ nicht das Recht in einem Team,
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