Masala Highway
Reiskuchen, und natürlich Dal. Eine leckere Alternative sind Parathas, Teigfladen, die gerne mit Kartoffeln oder Gemüse gefüllt werden, oder – im Süden – Masala Dosa, knusprige salzige Pfannkuchen. Viele Inder beschränken sich auch einfach auf Masala Chai, mit Ingwer und Kardamom gewürzten und mit Milch aufgebrühten Tee, und Chapattis, die indischen Brotfladen. Die Hauptmahlzeit nehmen viele indische Familien erst spät am Abend zu sich. So spät, dass ich bei einer Einladung zum Essen einmal richtig ins Fettnäpfchen trat. Pünktlich um acht klopfte ich bei meinen Gastgebern an. Es ist ein großes, neues Haus, die Familie lässt ihre Kinder in den USA studieren, ein großer schwarzer Geländewagen steht vor der Tür – es war ein Besuch bei glücklichen Vertretern des indischen „Mittelstands“. Im klimatisierten Wohnzimmer sind schon andere Gäste, die alle Meister des Small Talks sind: „Woher kommen Sie? Wie oft waren Sie schon in Indien?“. Als ich erkläre, warum ich noch nicht verheiratet bin, spüre ich zum ersten Mal meinen Magen. Bis auf ein paar gesalzene Kichererbsen ist aber nichts vom Essen zu sehen. Also warten, und es gibt ja noch viel zu erzählen … Doch irgendwann siegen Hunger und Neugier über meine Geduld: Es solle doch ein Dinner geben – wann denn gegessen werde?
Das war ein echter Fauxpas: Das Dinner bildet den krönenden Abschluss des Abends, nach ihm zu fragen, klingt so, als würde man sich das Ende des Besuchs herbeiwünschen. Denn nach dem Essen ist die Party vorüber, die Gäste verabschieden sich. Doch ich hoffe, meine Gastgeber an dem Abend wenigstens in einer Hinsicht glücklich gemacht zu haben: Als Zeichen der Gastfreundschaft gehört das größte Stück im Topf dem Besucher, und wenn dieser zeigt, dass er zu Ende gespeist hat, rühren auch die Einladenden nichts mehr an. Hungrig mussten meine Gastgeber nicht zu Bett gehen.
Ein anderer Gast, ein älterer Herr mit aristokratischem Auftreten und beeindruckenden weißen Augenbrauen, klärte mich über meinen Missgriff auf: „Tagsüber ist es zu heiß für ein schweres Mahl“, sagte er, „deswegen warten wir, bis der Abend Kühle bringt.“
Vielleicht auch, weil die Frauen in der Küche den ganzen Tag brauchen, um so ein Essen vorzubereiten – und den halben Abend dazu. Ein indisches Festmahl lebt von der Vielzahl von Chutneys, Currys, Dals, die geschmackliche Akzente setzen. Bei Nicht-Vegetariern auch aus Fleisch- und Fischgerichten. Dazu werden – oft in Wärme speichernden Plastikdosen – Chapatti gereicht. Allein diese in ausreichender Menge herzustellen, würde jemanden ohne Übung einen halben Tag beschäftigen. Zumal viele indische Hausfrauen immer noch alles selbst machen und nur wirkliche Rohstoffe kaufen: Das Ghee gehört da schon zu den veredelten Produkten, es wird auf dem Herd aus Butter geklärt. Paneer, der indische Käse, wird ebenfalls nach Bedarf aus Milch mit Essig angefertigt, und auch das Mehl für die Pakoras, Samosas und Chapattis mahlen viele Inderinnen in der eigenen Küche.
Wer keine Mühle zu Hause hat, lässt das Mahlen direkt beim Einkauf erledigen – mit der Mahlstärke, die das Rezept jeweils verlangt. Eingekauft wird in den Basaren, auf den Märkten und bei kleinen Händlern – freundlicher Kontakt mit den Verkäufern ist im Preis inbegriffen. Etwas mehr als 35 Millionen Menschen arbeiten im Einzelhandel, viele davon in winzigen Ständen und kleinen Läden.
Supermarktketten, Fertigessen und Tiefkühlkost sind auch deshalb noch eine Seltenheit. Unter anderem deshalb, weil Stromausfälle immer noch an der Tagesordnung sind und eine ununterbrochene Kühlkette kaum durchführbar ist. Allerdings bemühen sich globale Lebensmittelketten wie Metro, Carrefour und Wal-Mart, so warnt die Entwicklungsorganisation Oxfam, darum, auf dem indischen Markt eine größere Rolle spielen zu dürfen. Im Rahmen eines Freihandelsabkommens zwischen Indien und der Europäischen Union soll eine bisherige Regelung aufgeweicht werden, die Investitionen nur als Joint Ventures mit indischen Unternehmen erlaubt. Die Verordnung schützte auch den indischen Einzelhandel und die Landwirtschaft vor möglichen Gefahren der Globalisierung. Fällt dieser Schutz weg, droht nicht nur der indische Einzelhandel aus dem Gleichgewicht zu geraten. Die neue Art von vorgefertigten Lebensmitteln wäre auch eine Herausforderung an die indische Gesellschaft.
Die massenweise Eröffnung von Lebensmittelgeschäften
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