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Maschinenkinder

Maschinenkinder

Titel: Maschinenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shayol Verlag
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…«
    »Dem werde ich den Kopf abreißen!«
    Er wandte sich ab, folgte einem Wasserrohr, das links an der Fassade prangte – rechts dem Abgrund nahe, dass er hinabschauen konnte: unten ein Bergsee, glitzernd kühl in der Tiefe.
    Weiter vorne ein Torbogen, so grazil wie im Strebewerk einer Kathedrale verbaut, mit kleinen Figuren aus Stahl, Wasserspeiern ähnlich – und dahinter: Getöse, sehr schrill, es klang, als würde eine Dampfflöte pfeifen, dann aber erkannte Bochochs den Klang der Eisenpauken und Trompeten, eine brachiale Musik:
    Die Hymne der Sucher.
    Als er das Tor durchquerte, zog die Parade an ihm vorbei, umjubelt von allen Seiten, wehende Banner, und in der Mitte: Rorron, der vierte Titan, stolzierte mit goldenen Schwingen, die er angelegt hatte; er war zum Maschinenengel geworden – mit ihm seine niederen Helfer.
    Bochochs reckte den Hals, Rorron tat es ihm gleich; und für einen Moment traf sich ihr Blick:
    Ein kohlschwarzer Affe!
    Ein Maulheld!
    Worauf sie die Menge umspülte, und Rorron, der Glorreiche, ihn aus den Augen verlor. Nur wenige Schritte war er vom Felsen entfernt, wo er abheben wollte; doch anstatt mehr Anlauf zu nehmen, hielt er inne, streckte sich zur vollen Größe, hielt die Flügel ins Morgenlicht, bevor er sprach:
    »Heute ist der Tag gekommen. Nicht länger werden wir das Land als Kriechtiere erklimmen, wir werden Vögel sein, die in den Wolken segeln!«
    Unter tosendem Applaus sprang er in den Abgrund; und seine Spannweite reichte, um über den Schornsteinen zu kreisen, die wie Orgeln den Dampf ausstießen – flog höher, weit über der großen Maschine, über den Öfen, durch die heiße Luft getragen, bis er vom künstlichen Aufwind in eine Strömung wechselte, die zum Großmassiv hinführte, zum Gipfel, und darüber hinaus. Hinter ihm stürzten die Sucher ab, trudelten, zerschellten am Hang, weil ihre Schwingen zu kurz geraten waren:
    Es gab keine Helden neben ihm.
    Rorron gewann an Höhe, schwebte erst tänzelnd, dann majestätisch auf der Thermik, malte Schleifen in den Himmel, während der Wind an seinen Flügeln saugte; die Federspitzen wölbten sich träge, vibrierten.
    Über dem Felsgrat strahlte die Sonne auf; und für eine Weile liebte er sie, ihre Wärme und ihr Licht, das ihn göttlich machte, ehe er die Flugbahn änderte – und sank, um das Tal zu durchmessen, aber nur blauen Schatten vorfand; ein Abwind, der die Bäume zerwühlte, Kälte. Stille.
    Der Waldrand lag jetzt hinter ihm, die Köhlereien, die Güterseilbahn; unter ihm nackter Fels, zerklüftet und schwarz, wie Schlacke blind – da hob ihn die nächste Luftsäule hoch, dass Rorron, nur kurz, die Wolken berührte, und der Tag ihn mit grellem Schein traf.
    In der Ferne, am Gebirge, jagte ein Adler den Wind, wies auf neuen Aufwind hin … Aber gerade, als Rorron zum Gletscher hinsteuerte: ein Spiegel, blendend weiß, wurde er von Turbulenzen erfasst, die an seinen Federn zerrten, ihn rüttelten und fallen ließen:
    Sturzflug.
    Die Strömung war abgerissen, er taumelte, fiel wie ein Blech der Erde entgegen, zitterte, flappte, bis er die Schwingen endlich einzog: Scharniere krachten, eine Schiene sprang weg, wirbelte an ihm vorbei, bevor er die Arme um den Brustkorb schlang.
    Federn flatterten; er legte seine Beine zusammen, sammelte Kraft, hoffte auf den einen Moment, jetzt stemmte er sich gegen den Fall, breitete die Flügel aus, und ein Windstoß packte ihn, zog ihn empor. Rorron stieg; zerbrechlich, doch er stieg. »Seht ihr das«, triumphierte er und lachte. »Ich bin unzerstörbar!«
    Schnell flog er eine Kurve, den Gipfel als Fixpunkt, und glitt im steten Hangwind dahin. Es war ruhiger geworden, sanfte Luftzonen, denen er folgte. Hinter dem Gletscher ein frischer Auftrieb, und so erreichte er den Grat, meisterte ihn, ließ den Felsrücken hinter sich – jenseits davon grüne Anhöhen, Wind in den Halmen, die flüsterten, wogten. Dann im flachen Bogen abwärts.
    Die Flügel kippelten, weil ihn die kühle Luft nicht länger trug, und so wählte er sein Ziel aus, einen Hügel, abgeflacht und mit Korn bewachsen. Rorron stellte die Federn quer, ächzende Bolzen, als die Thermik nachließ – sackte weg, pendelte kurz wie schwerelos und landete in einer Senke, ein Bein voraus; rannte, um den Restschwung zu tilgen. Er klappte die Schwingen ein, stand aufrecht. Welch ein Flug! Begeistert drehte Rorron den Metallkopf hin und her und betrachte die neue Gegend, den Himmel, die Berge, das Gras, erkannte, was er

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