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Maschinenkinder

Maschinenkinder

Titel: Maschinenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shayol Verlag
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von oben schon sah …
    Und lief los.
    Leicht bergan, nicht weit entfernt, spaltete eine Windmühle das Licht, erst ein Flittern, sonnenhell; doch als Rorron ankam, sah er die tuchbespannten Flügel kreisen – ein Rundbau, in Lehm gemauerte Kiesel, oben eine bewegliche Haube, die über Windrosen zum Wind gedreht wurde. Die Tür stand weit offen, drinnen das Rumpeln der Zahnräder, und Rorron wollte hingehen, eintreten, als eine silberne Stimme ihn rief: »Komm her zu mir, Maschinenkind.«
    »Teufel auch.« Er schaute nach links, wo ein kleiner Acker lag, ein Haferfeld, und im Graben zwischen beiden stand ein Schemen, der ihn eifrig zu sich winkte.
    »Wer bist du?«
    »Wer bin ich?«, lachte die Gestalt, ließ daraufhin das Ärmchen sinken, stieg aus der Furche und verharrte, reglos, stumm, wie abgeschaltet.
    Vorsichtig trat Rorron näher, prüfte ihn von allen Seiten, die überlangen Arme aus Holz – und den Bronzekopf, von grüner Patina belegt, weil er antik war, ein Relikt:
    »Ein Baumeister«, schloss der Titan und ließ erstaunt die Hände schweifen. »Hast du das hier gemacht? Oder wer hat dir geholfen?«
    Keine Antwort.
    Erst jetzt fielen ihm die Dellen an der Schädelplatte auf; der verbeulte Nacken, und Risse klafften bis zum Ohr, spärlich von einem Flicken geschützt, der, halb verrutscht, eine offene Stelle preisgab, Federn, Rädchen – und den Kristall, eisblau, wenn er flackerte wie Gaslicht, glomm:
    »Mag sein«, sagte Ava leise. »Ich träume davon, und es geschieht.«
    »Was soll das heißen, mein Freund? Erinnerst du dich nicht?« Rorron starrte in die Augenschlitze, leerer Schatten, und auf die bronzenen Lippen … kein Zucken, nichts. Mehr Zeit verstrich, ehe Ava das Kinn hob und steif und sperrig die Schultern bewegte. »Hier bin ich also aufgewacht, obwohl ich träume, immerzu. Ich sehe Feuer, alles brennt.«
    »Rede doch!«, heulte Rorron und packte ihn mit beiden Händen. »Was treibt dich an?«
    »Der Wind … ja.« Verloren sah er zum Himmel auf: ein paar Quellwolken, wie Schafe gebauscht, leicht, dass die Sonne hindurchblinzelte. Das endlose Blau. »Ein Sturm zieht auf. Wir müssen die Mühlensegel reffen.«
    »Unsinn«, sagte Rorron, selbst aufblickend. »Wieso …?«
    »Ich weiß es halt«, gab Ava zurück. »Ach, es gibt zu tun.« Er neigte den Kopf, löste sich von ihm, lief zur Mühle, stracks, ohne zurückzublicken.
    »Jetzt warte«, rief der Titan ihm hinterher. »Ich habe viele Fragen.«
    »Später, Freund.« Die Windrosen hatten die Haube nachverstellt; längs, am Eingang kreiste das Flügelkreuz. Ava hielt inne – wartete, um eine Lücke abzupassen, schlüpfte dazwischen, betrat den Bau. »Hilf mir.«
    Rorron folgte; die Tür war zu schmal, er wollte seine Flügel einklappen, aber die Mechanik blockierte, also blieb er draußen und schaute. Durch die tuchbespannten Gatter schien jede Bewegung abgehackt, langsam, in Einzelbilder zerstückelt, auch, als der Baumeister zum Waschzuber trat, einen Stock nahm, den Inhalt umrührte, dann mit langem Arm hineingriff und einen Haufen Wolle nass auf den Boden klatschte. Weiße Fäden, die hängen blieben, riss er ab, warf sie dazu.
    Seitlich Bottiche mit gekämmter Wolle: luftige Kammzüge zum Spinnen; Garnknäuel, schwarz, braun, weiß, liebevoll auf den Regalen sortiert, und hinten, im Lager, stapelte sich das fertige Tuch.
    »Ist das für die Windflügel?«, brüllte Rorron, doch Ava hörte ihn nicht.
    Das Getriebe bollerte laut.
    An einer Wand, halb beschattet, stand der Webstuhl, ein riemenbetriebenes Spinnrad – darüber das Räderwerk; und wie ein Zelluloidfilm, der ruckelte, sah Rorron die Zahnkränze arbeiten, mal schnell, mal langsam, seltsam wie rückwärts laufend. Da glänzte etwas, hell, und als der Sucher ahnte, was es sein könnte, trat er nah an die Mühle heran. Der Wind hatte aufgefrischt, das Segeltuch knatterte, wölbte sich, peitschte das Gitterkreuz; rasch und heftig wischten die Flügel an ihm vorbei.
    Rorron kniete nieder, sah mehr:
    Oben, im Haubendach, im Schatten, wo die Flügelwelle die Holzwand durchstieß, rotierte das Kammrad, klackerte, knarzte, trieb die Königswelle, stehend verbaut, und auch ein Kronenrad unten an – es war vergoldet! Rorron wusste gleich, dass es zur großen Maschine gehörte, so riesig und prunkvoll; nie zuvor hatte er ein edleres Teil gefunden.
    Wie kam es hierhin? Vielleicht vom Überdruck versprengt?
    Er musste es haben!
    Indes war Ava einer Treppe gefolgt, hinauf zur Galerie,

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