Maschinenmann: Roman (German Edition)
ich mich nicht überwinden können. Aber ich wollte nicht sterben. Also tat ich es.
Blut spritzte. Ich konnte es nicht zum Stillstand bringen. »Hilfe!« Bislang hatte ich den Sterbenden mit einer gewissen Nachsicht betrachtet, aber jetzt brauchte ich ihn wirklich. »Hilf mir, du Scheißer!« Ich plumpste zum Tischrand, damit er sehen konnte, wie ich meinen Arm umklammerte. Aber sein Blick war leer. Er war gestorben. Der Schweinehund war einfach gestorben. Mir kam die Galle hoch. Am liebsten hätte ich ihm den Arm abgeschnitten und wäre vor seinen Augen krepiert, damit er merkte, wie das war. Angst und Schwindel überschwemmten mich. Bedauern. Ich wollte einfach noch nicht sterben. Ich fühlte mich, als hätte mich jemand betrogen. Mit einem Ruck riss ich den Kopf herum, für den Fall, dass mir irgendwas Nützliches entgangen war. Zum Beispiel ein Chirurg, der nicht tot war. Da fiel mein Blick auf die elektrische Säge.
Sie war weit weg. Ich wusste nicht, ob ich sie erreichen konnte. Vielleicht auch gut so – war es denn wirklich so schlimm, mich zurückzulegen, die Augen zu schließen und mir nicht den Arm abzusägen? Daraus konnte mir niemand einen Vorwurf machen. Allerdings würde das bedeuten, dass ich starb, und das wollte ich nicht. Je größer die Gefahr wurde, desto sicherer war ich mir in diesem Punkt. Also spannte und streckte ich mich, bis ich die Finger um das Kabel der Säge geschlossen hatte. Dann nahm ich das Kabel sogar in den Mund, um meinen Griff zu ändern, und zog erneut. Das Kabel war lang. Ich zog und zog, und allmählich beschlich mich der Verdacht, dass es vielleicht gar kein Ende hatte, denn das wäre doch wirklich ein Mordsspaß. So ähnlich wie die Stringtheorie. Vielleicht war ich quantenverstrickt. Scheppernd landete die Säge auf dem Operationstisch. Mir fiel wieder ein, was ich vorhatte, und ich tastete nach dem Schalter.
Einmal habe ich in einem Einkaufszentrum einen Vertreter gesehen, der ein elektrisches Tranchiermesser vorführte. Er zeigte einem silberhaarigen Paar, wie leicht das Messer durch ein Brathähnchen fuhr und feine, dampfende Fleischstreifen abschnitt. Es klang wie Wrihhhng.
Aus irgendeinem Grund erwartete ich jetzt ein anderes Geräusch.
Nachdem ich den überzähligen Arm entfernt hatte, klemmte ich die Arterie ab. Auf die Einzelheiten will ich hier nicht näher eingehen. Sagen wir einfach, es war eine vorübergehende Lösung, an der meine Finger beteiligt waren. Ich brauchte genügend Zeit, um vom Tisch herunterzukommen und ärztlichen Beistand zu finden. Es machte mir nicht einmal etwas aus, dass mir diese Arschlöcher den Arm abgesägt hatten. Ich war bereit, ihnen zu verzeihen, wenn sie mir nur halfen. Ich lehnte mich vor und nahm das grüne Operationstuch zwischen die Zähne. Ich zog und beugte mich weiter vor für den nächsten Biss. Mit jedem Mal zerrte ich das Tuch einige Zentimeter in meine Richtung. Ich hoffte darauf, dass dort unten ein Paar Contours Drei zum Vorschein kommen würden, denn andernfalls saß ich auf dem Tisch fest. Ich riss an dem Tuch, bis es sich um mein Gesicht bauschte. Schließlich versuchte ich, es mit der Nase wegzuschieben. Die Verlockung, die Hand von der Arterie zu nehmen, war groß, weil es dann viel schneller gegangen wäre, aber ich ließ es bleiben, weil es dann auch schneller zu Ende gegangen wäre. Dann erhaschte ich einen Blick auf schwarzes Titan. Gott sei Dank. Der Schwerpunkt des Tuchs passierte die Tischkante, und es rutschte von allein Richtung Boden. Immer mehr Metall kam zum Vorschein, und als das Tuch über meine Schenkel glitt, dachte ich: Was ist das? Da, wo meine Schenkel hätten sein müssen, war Metall. Auch Hüften und Bauch waren aus Metall, und statt eines Nabels hatte ich ein kreisförmig gestaltetes Logo, in dem ich selbst von oben den Schriftzug von Better Future erkannte. Noch immer rutschte das Tuch, und enthüllte bis hoch zum Hals eine Landschaft aus Titan. Aus einem Spalt irgendwo unter dem Kinn ragten Schläuche heraus, die Flüssigkeit transportierten, und ich selbst war nur über Schläuche mit dem Metall verbunden. Als ich nach Luft schnappte, um zu schreien, hoben sich zwei Schläuche leicht, um mir Sauerstoff zuzuführen, und aus meinem Mund drang ein Wimmern wie von einem Fahrradreifen, in den sich gerade ein Reißnagel gebohrt hat. Ich hatte einen Arm. Ich hatte eine Schulter. Ich hatte einen Kopf. Ob sonst noch etwas, wusste ich nicht.
Dann tauchte ein Gesicht auf. Das Haar war verfilzt
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