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Maschinenmann: Roman (German Edition)

Maschinenmann: Roman (German Edition)

Titel: Maschinenmann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Barry
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ihm den Kopf abzureißen. Stattdessen brachen wir einen Brocken aus dem Boden und schleuderten ihn durch den Laden. Das entsprach nicht meiner Absicht, hatte aber vielleicht wenigstens eine abschreckende Wirkung.
    »Ich hab sie geholt.« Carls heißer Atem brannte auf meiner Wange. »Ich bin zurückgegangen und hab sie dort rausgeholt.«
    Mein Arm kreischte. Es war das Kreischen von Metall. Ich spürte Trennung. Ein Teil von mir ging außer Betrieb. Mit durchtrennten Drähten fiel mein Unterarm auf den Boden. Es tat nicht weh, und dennoch war dieser Verlust das Schlimmste, was ich je empfunden hatte.
    Ich schwenkte herum und ruderte mit dem Waffenarm. Aber ich konnte Carl nicht erreichen. Unerbittlich hielt er meinen Hals in seinem Würgegriff. Seine breiten, blockartigen Fingerglieder schnappten nach meinem Waffenbizeps. Ich trauerte um meinen Arm. Ich wollte nicht zerstückelt werden. In meiner Not wandte ich mich an meine Körperteile. Ich weiß mir nicht mehr zu helfen, bitte bringt ihn einfach irgendwie um.
    Mit einem Ruck sprangen die Contours nach vorn. Sie krachten durch eine Verkaufstheke, dann durch die nächste. Wir beschleunigten auf eine Wand zu. Einen Sekundenbruchteil vor dem Aufprall schwenkte mein Bauch.
    Mit dem Rücken voraus trafen wir auf die Wand. Um mich herum zerbarsten Gipsplatten. Alles war Staub. Wo, dachte ich, und meine Teile antworteten: Keine Ahnung. Dann machten wir vier Schritte zurück und hoben den Waffenarm. Im sichtbaren Spektrum war Carl nicht zu erkennen, aber im elektromagnetischen strahlte er hell wie die Milchstraße. Wir ballten unsere Faust und spuckten ihm durch die Waffe unsere Wut entgegen.
    Wir warteten. Alles brodelte vor Staub und Hitze. Der Boden war übersät mit Plastiksplittern, Glasscherben und Elektroniktrümmern. Nach und nach legte sich der Staub. Ein Schatten fügte sich zu einem Körper zusammen. Der Waffenarm surrte wie ein Angebot. Aber wir warteten, um ganz sicher zu sein. Sirenen kamen näher. Der Körper regte sich nicht. Aus dem Infrarotbereich wich die Wärme, aus den Mikrowellen die Bewegung. Die Luft klarte auf. Ich glaube, wir haben ihn erledigt.
    Hinter uns flammte Bewegung auf. Wir wandten uns um und bemerkten Lola, die sich einen Weg in den Laden bahnte. Ihr Blick fand Carl. Inzwischen war er gut sichtbar. Sein Exogerüst war verbogen und zerschmettert. Carl darunter ebenfalls. Einige seiner Metallteile hatten sich in ihn hineingebohrt. Ich wollte nicht schadenfroh sein. Aber das war eben die Schwäche von Hybriden. »O Gott, du hast ihn umgebracht.« Ihre Hände flogen zum Mund, ihre Augen wurden feucht.
    »Er wollte uns unsere Teile wegnehmen. Er hat unseren Arm zerstört.« Wir zeigten es ihr. »Schau selbst.«
    »Das ist furchtbar. Ganz furchtbar.«
    Draußen quietschten Reifen. Türen knallten.
    »Wir sollten verschwinden.«
    Lola schüttelte den Kopf und starrte Carl an. Sie wollte, dass er uns unsere Teile nimmt, dachten wir. Wirklich schade, weil sie so wunderschön war. Sie hat uns viel bedeutet. Aber sie hatte eine Auffassung von uns, die nicht kompatibel war mit unserer Existenz.
    In unserem Waffenarm machte es klonk. Kurz befürchteten wir, dass er gestorben war. Dann erinnerten wir uns an das Geräusch, das bei der Freigabe der Waffe durch Better Future entstanden war. Wir blickten in unseren Kopf, und auf der anderen Seite des Fensters war Jason, der alles beobachtete.
    Wir hörten ein Piepen. Knallend öffnete sich der Haupteingang, und dahinter kam eine weitere Tür zum Vorschein, die industriell und flach wirkte. Sie schob sich auf, und wir erkannten, dass sie zu einem Lastwagen gehörte. Eine Rampe schepperte nach unten. Über diese Rampe schritten Cassandra Cautery und grau uniformierte Sicherheitskräfte, die heruntersprangen, und ihre Taschenlampen auf glitzernde Staubsäulen richteten. Hinter ihnen wimmelten die Katzen.
    »Jeschus«, rief Cassandra Cautery. »Seht euch das an.« Ausdruckslos starrte sie Carl an. Wenn das Geheimnis der Schönheit tatsächlich in der Beständigkeit lag, dann war Cassandra Cautery schöner als je zuvor.
    »Er wollte unsere Teile.«
    »Das haben Sie gut gemacht, Charlie. Wirklich.« Mit wirbelndem Orangelicht fuhr ein Gabelstapler rückwärts die Rampe hinunter. Er wendete und rumpelte auf Carl zu, die Zinken vorgestreckt wie eine gespaltene Zunge. Am Steuer saß ein Junge mit tiefbrauner Haut und definierten Muskeln. »Jetzt können wir aufräumen.«
    »Charlie braucht Hilfe«, sagte Lola.

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