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Maschinenmann: Roman (German Edition)

Maschinenmann: Roman (German Edition)

Titel: Maschinenmann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Barry
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Alleinsein.«
    »Nein.«
    Sie kauerte sich hin. »Aber Sie dürfen das nicht als Vorwand nehmen, um zu verschwinden. Ich habe erlebt, wie so was endet. Wie Sie diese Sache überstehen, hängt von Ihnen ab, Charlie. Davon, wie Sie auf die Herausforderung reagieren.«
    »Okay.« Was anderes konnte ich nicht sagen. Zwar wollte ich mich nicht von der Welt abkapseln. Doch ich wusste, dass es so kommen würde.
    Sie trat zurück. »Stehen Sie auf.«
    Ich hielt mich am Rollstuhl fest und stemmte mich in die Höhe. Das Bein hing an meinem Stumpf. Aus dieser Perspektive wirkte es noch weniger imposant. Die skiartigen Zinken schlackerten. Sie machten keinen besonders stabilen Eindruck. Im Gegenteil, sie sahen aus, als würden sie gleich abfallen.
    »Stützen Sie sich mit Ihrem Gewicht darauf.«
    Ich beugte mich vor. Das Quetschen, mit dem sich die Fassung um mich schloss, fühlte sich äußerst ungut an.
    »Vertrauen Sie dem Bein, Charlie.«
    »Die Nähte …«
    »Bei mir ist noch nie ein einziger Stich aufgegangen.«
    Ich wischte mir mit dem Ärmel über die Stirn. Als ich mehr Gewicht auf das Bein verlagerte, bogen sich die Zehenzinken. Rein logisch war mir klar, dass sie darauf berechnet sein mussten, einen laufenden erwachsenen Mann zu tragen, aber ich hatte Mühe, das zu glauben. War das Gerät wirklich gründlich geprüft worden?
    Lola Shanks streckte die Arme aus. Tief Atem holend ließ ich mein Gewicht auf das Bein sinken. Der Druck war schlimm, aber nicht unerträglich. Ich schlurfte vorwärts, dann ein zweites Mal. Als ich Lola erreichte, war ich in Schweiß gebadet. Ich hatte vier Schritte zurückgelegt.
    »Sehr gut!« Sie grinste, als fände sie das Ganze wirklich aufregend.
    Ich war zittrig und müde, aber auch stolz auf mich. Nun lächelte ich ebenfalls.
    Ich saß im Bett und nahm den Exegesis in Augenschein. Eigentlich hätte ich Werkzeug gebraucht. Um ihn auseinanderzunehmen. Doch auch so konnte ich einige Dinge erkennen. So kompliziert war das nicht. Im Grunde war es bloß ein Kübel auf einer Stange. Noch immer fand ich es erstaunlich, dass es das höchste der Gefühle sein sollte. Mich beschlich der Verdacht, dass im Maschinenbau nicht viele Amputierte arbeiteten. Anscheinend ging man von der Prämisse aus, dass die Betroffenen froh sein sollten, wenn sie überhaupt noch laufen konnten.
    Aber Lola Shanks hatte recht: Inzwischen mochte ich ihn. Nicht weil ich mich mit ihm fortbewegen konnte. Das war mir nicht so wichtig. Was mir gefiel, war, wie ich auf Lola zutaumelte, wie ihre Augen bei jedem Schritt größer wurden und wie sie mir die Hände drückte, wenn ich bei ihr ankam.
    Manchmal war ich noch immer schockiert, wenn ich sah, dass mir ein Bein fehlte. Dann befiel mich lähmende Angst, und in meinem Kopf schrie eine Stimme: Wo ist es? Hin und wieder träumte ich auch, dass mir etwas fehlte, dass ich aber nicht herausfand, was. Allmählich ging mir das Ganze auf die Nerven. Sicher, mein Gehirn musste fünfunddreißig Jahre Konditionierung hinter sich lassen. Trotzdem war es meiner Ansicht nach höchste Zeit, dass es sich auf die neuen Realitäten einstellte.
    Um 10.45 Uhr wurde ich ungeduldig und zappelig. Ich konnte mich nicht mehr auf mein Telefon konzentrieren. Ich bekam Durst. Alles wegen Lola Shanks. Sie hatte sich für elf angekündigt. Also rutschte ich zur Bettkante und schnallte das Bein an. Bei ihrem Eintreffen war ich schon auf und humpelte ihr entgegen.
    Mit einer Miene gespielter Entrüstung blieb sie in der Tür stehen. »Charlie!« Sie streckte mir den Ellbogen hin. »Gehen wir spazieren.«
    Von der Zufahrt zur Notaufnahme bis zum rückwärtigen Garten führte ein breiter Betonweg um das Krankenhaus. Dort standen am Tropf hängende Patienten und saugten an Zigaretten. Allmählich kriegte ich den Exegesis in den Griff. Bloß wenn ich zu sicher ging, zog Lola Shanks ihren Arm zurück. Daraus ergab sich die Versuchung, Unbeholfenheit vorzutäuschen.
    »Erzählen Sie mir von Ihrer Arbeit«, forderte mich Lola auf. »Was machen Sie eigentlich?«
    »Ich teste Sachen.« Meine Skizehen schleiften: skrrrrtch.
    »Was für Sachen?«
    »Sachen eben. Werkstoffe.«
    »Ist das interessant?«
    Ich überlegte. Manchmal war es schon interessant, zum Beispiel wenn man damit rechnete, dass die Kupfervalenz unter dem Teilchenbeschuss zerfallen würde und es dann doch nicht tat. Aber so etwas verstanden die Leute nicht unter interessant. »Nein.«
    »Ach«, antwortete Lola.
    »Manchmal mache ich auch Sachen. Wenn

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