Maschinenmann: Roman (German Edition)
Pferdeschwanz zusammengezurrt. Sie trug ein riesiges weißes Shirt.
»Hi, ich hab gehört, Sie hatten eine Oberschenkelamputation.« Bevor ich reagieren konnte, hob sie meine Decke an. »Oh. Die haben nicht zu viel versprochen. Das ist wirklich ein glatter Stumpf.« Sie rollte die Decke hinauf bis zu meiner Hüfte und stemmte die Ellbogen aufs Bett, um sich das Ganze aus der Nähe anzusehen. »Ein Maschinenunfall, oder?«
»Eine Zwinge.«
»Sie haben das große Los gezogen. Wirklich erstaunlich.«
Ich starrte sie an. Sie war nicht die Erste, die sich aufführte, als wäre meine Amputation etwas Wunderbares. Aber sie war die Erste, der ich glaubte.
»Wenn Sie das auch mit dem anderen Bein machen wollen, sollten Sie unbedingt die gleiche Methode anwenden. Ernsthaft.«
»Was?«
»Nur ein Witz.« Sie setzte sich auf, aber eine Hand blieb ganz nah bei meinem Stumpf. »Sie heißen Charlie, nicht wahr? Ich möchte ganz offen sein, Charlie. Ich liebe Oberschenkelamputationen. Ich habe viele Unterschenkelamputationen direkt unterm Knie, aber – ohne diesen Menschen zu nahe treten zu wollen – das kommt mir vor wie das Anpassen von Schuhen. So was ist keine Kunst. Das da …« Sie tätschelte meinen Stumpf, und ich zuckte zusammen. »Das da ist eine blanke Leinwand. Das gibt uns Optionen. Möchten Sie sich ein paar Beine ansehen?« Sie wandte sich zur Seite, um in ihren Gliedmaßen herumzustöbern. Eine Haarsträhne fiel ihr vors Gesicht, und sie klemmte sie hinters Ohr, als wollte sie ihr eine Lektion erteilen. »Okay, sehen wir mal, was wir da haben.« Sie hielt etwas hoch. Eine Stange. Der einzelne Zeh war aus Gummi. Wie die untere Hälfte einer Krücke. Der obere Teil war ein fleischfarbener Kübel mit Stoffriemen. »Hier die Einstiegsklasse. Das zeige ich Ihnen nur, damit Sie wissen, was es so alles gibt.« Sie bemerkte mein erschrockenes Gesicht. »Hey, hey. Das zieh ich Ihnen bestimmt nicht an. Einfach furchtbar. Das Kassenmodell. Obwohl, nur zu Ihrer Information … Wenn Sie nicht über Ihren Arbeitgeber so ausgezeichnet versichert wären, würden Sie genau dieses Modell bekommen.« Sie legte das Stangenbein auf den Boden, wo es meinem Blick entzogen war. »Vergessen wir das. Moment, hab ich mich überhaupt schon vorgestellt? Ich heiße Lola Shanks.«
Das wusste ich bereits von dem Ausweis, der an ihrem wallenden Shirt hing. Mit einer Grimasse hatte sie in die Kamera gestarrt. Hätte ich auf meinem Ausweis so dreingeschaut, hätte ich darum gebeten, ein neues Bild zu machen.
»Jetzt zeige ich Ihnen was anderes.« Vom Fußgelenk abwärts ähnelte es einem echten Bein. Einem echten Bein, das vor einigen Tagen abgestorben war. Die Zehen waren flach und viereckig. Die Wade bestand aus Aluminium. Das Knie war ein Bündel Metallgelenke. Oben drauf war wieder ein Kübel. »Damit kann man einen Schuh anziehen. Ich sehe Ihnen an, dass Sie nicht begeistert sind, aber Sie müssen es sich auch in einer langen Hose vorstellen. Die Breite gibt Ihnen ein natürliches Aussehen. Wenn Sie erst mal ein bisschen Übung haben, merkt niemand mehr den Unterschied. Solange Sie nicht die Hose ausziehen.« Sie grinste. Sie war noch ziemlich jung. Wie lange dauerte die Ausbildung zur Prothetikerin? Anscheinend nicht sehr lang. »Was meinen Sie?«
»Wie funktioniert es?«
»Wichtig ist die Fassung. Neunzig Prozent Ihrer Zufriedenheit mit der Prothese hängt davon ab, wie gut Sie in die Fassung passen.« Ihre Wortwahl fand ich bemerkenswert. Nicht wie gut Ihnen die Fassung passt. »Wir hüllen Ihr Bein in einen Strumpf, den wir durch das kleine Loch hier unten in die Fassung ziehen und mit Riemen befestigen. Aber ideal ist das nicht. Sobald die Schwellung abgeklungen ist, machen wir einen Abdruck von Ihrem Bein und fertigen damit eine individuelle Fassung an.«
»Und wie geht man damit?«
»Na ja, man muss es schwingen. Das braucht ein bisschen Übung.«
»Man muss es schwingen?«
»Genau. Es ist drehbar. Eine Zeit lang wird der Fuß weit nach vorn sausen. Starke Steigungen sind eine Herausforderung. Alles ist eine Herausforderung. Es wird auf jeden Fall schwer, Charlie, egal, was Sie tragen.«
Ich betrachtete den Haufen Beine. »Was gibt’s noch?« Hinter ihr schimmerte etwas Schwarzes und Silbernes, das mich neugierig machte.
Sie lächelte. »Jetzt haben Sie es mir verdorben. Ich wollte die Spannung steigern, bevor wir zum Spitzenprodukt kommen. Aber ich muss Sie warnen: Damit sehen Sie nicht natürlich aus. Wir tauschen
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