Maschinenmann: Roman (German Edition)
ich ihnen sagen?«
Wie einen wertlosen Gegenstand warf Dr. Angelica das Klemmbrett auf mein Tablett. »Sagen Sie ihnen, dass ich dringend dazu rate, ihn von industriellen Schneid- und Stanzgeräten fernzuhalten.«
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In der Limousine konnte ich nicht still sitzen. Rastlos wie Vögelchen huschten meine Hände über die Schenkel. Ich zurrte den Gurt fest und spähte durch die getönte Fensterscheibe. Konnten wir nicht schneller fahren? Wie weit war es noch bis zu Better Future? An die vielen Wohnsiedlungen konnte ich mich gar nicht mehr erinnern. Ich beugte mich vor, um den Fahrer zu fragen, ob er sich auch bestimmt nicht im Weg geirrt hatte, doch dann lehnte ich mich wieder zurück, weil er die Strecke natürlich kannte. Ich sehnte mich einfach nach meinen Beinen.
»Nicht mehr weit«, sagte Carl.
Ich zuckte zusammen. Ich hatte schon völlig vergessen, dass er mir gegenübersaß. Er war groß, aber still.
Meine Hände verkrampften sich. Sie brauchten etwas zum Halten. Da fiel mir mein Telefon ein. Die Tasche, die im Krankenhaus für mich gepackt worden war, stand auf dem Sitz neben mir. Ich zog den Reißverschluss auf und durchwühlte meine alten Kleider, die ich seit Wochen nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. Mein Handy war nicht da. Ich setzte mich zurück und atmete zischend aus. Diese Arschlöcher.
»Ein Problem?«
»Mein Telefon.«
»Es fehlt?«
»Ja, allerdings, es fehlt.« Ich wollte gar nicht gehässig sein. Ich hatte mich einfach von meinem Frust hinreißen lassen.
»Sollen wir zurückfahren?«
Ich öffnete den Mund, um ja zu sagen.
»Das ist kein Problem«, sagte Carl.
»Wäre es möglich … dass sie es schicken?«
»Klar.«
»Per Kurier oder so.«
»Ja.«
»Okay. Okay, so machen wir es.« Ich blickte durchs Fenster und trommelte auf meine Schenkel. Wohnhäuser glitten vorbei.
Die Limousine stoppte. Carl schoss hinaus wie ein Champagnerkorken. Ich rüttelte am Griff und hatte mich gerade ein wenig Richtung Tür geschoben, da hatte er sie schon ganz aufgerissen. Ich blinzelte. Carl beugte sich vor und hob mich in einen wartenden Rollstuhl. Auf einmal brandete Beifall auf. Ich traute meinen Ohren nicht. Dann setzte sich Carl in Bewegung, und ich erkannte, dass der Betonweg zum Foyer mit Mitarbeitern gesäumt war. Als sie mich heranrollen sahen, jubelten sie. Ich war immer noch verwirrt. Vor mir stand Cassandra Cautery, die Hände wie zum Gebet gefaltet. Mit ausgebreiteten Armen trat sie auf mich zu. Sie beugte sich vor und küsste mich auf die Wange. »Willkommen daheim«, flüsterte sie. Sieben Jahre hatte ich keinen Kuss bekommen, und jetzt zwei in einer Woche. Bei derartigen Daten hätte ich normalerweise auf eine ernsthafte Kontaminierung der Laborbedingugen schließen müssen. Cassandra Cautery legte mir eine Hand auf die Schulter, und Carl rollte mich zur Eingangshalle. Menschen hoben die Hand, um mich abzuklatschen. Ich kam an einer Frau aus der Vertexverarbeitung vorbei, die sich bei Besprechungen immer den Platz mit dem größten Abstand von mir aussuchte, wirklich immer, und sie flüsterte mir zu: »Sie sind eine Inspiration.« Ich begriff nicht, was passiert war.
Drinnen war die Luft kühl und klimatisiert. »Ich habe mir die Freiheit genommen, Ihren Mitarbeiterstab zu erweitern«, bemerkte Cassandra Cautery. »Was halten Sie von diesem Jason Huang? Ich habe ihm seine Stelle gelassen, aber seine bisherigen Erfolge sind mittelmäßig.«
»Ich mag Jason.«
Carl hörte auf zu schieben. Cassandra Cautery kam nach vorn und schaute mir in die Augen. Sie war sehr schön. Sie wirkte ausgeglichen, eine natürliche Konstante in der Welt. Es war schwer, sie sich anders vorzustellen, aufgeregt etwa oder müde. Aber diese Beständigkeit war wohl ein Merkmal von Schönheit. »Es wäre kein Problem, ihn zu versetzen.«
»Jason ist in Ordnung.«
»Sie sollen einfach die Besten haben.«
»Warum?«
Cassandra Cautery nickte bedächtig, als müsste sie sorgfältig überlegen, um eine treffende Antwort auf eine gewichtige Frage zu finden. »Im Krankenhaus haben Sie erwähnt, dass das Künstliche besser ist. Das hat hier großes Interesse ausgelöst. Auf höchster Ebene. Und Diskussionen bis hinauf zum Manager.« Sie forschte in meinen Augen. Ich wusste nicht, welchen Manager sie meinte. »Was würden Sie zu einer eigenen Produktlinie sagen?«
»Eine Produktlinie wofür?«
»Für prothetische Geräte.« Sie zögerte. »Oder für künstliche Anpassungen. Für hochwertige Biozusätze. Auf
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