Maschinenmann: Roman (German Edition)
Stoßstange packen. Unsere kleinen Hybridräder würden qualmen, der Motor würde kreischen, und ich würde die lodernde Rachelust in seinen Augen sehen.
»Fahr!« Ich wappnete mich gegen die bevorstehende Beschleunigung. Aber es kam keine Beschleunigung.
Ihre Augen waren geschlossen. »Null, eins, eins, zwei, drei. Fünf. Acht. Dreizehn.«
»Was machst du da? Ist das Fibonacci?«
»Einundzwanzig. Vierunddreißig. Fünfundfünzig.«
Aus dem Transporter quollen bewaffnete Wachleute mit grimmigem Gesicht.
»Neunundachtzig. Einhundertvierunddreißig.«
»Einhundertvierund vierzig. «
»Halt den Mund!« Ihre Augen öffneten sich, entdeckten die Wachleute und klappten wieder zu. »O Gott!«
»Wenn du schon mit Fibonacci-Zahlen rumhantierst, dann …« Ich würgte meinen Satz ab. »Okay, nimm einfach beliebige Zahlen.« Fünf Wachen. Aber keine Spur von Carl. Allmählich musste ich mir überlegen, wie zwei Personen ein Kraftfahrzeug steuern konnten, von denen eine nichts sah und die andere die Pedale nicht erreichte.
»Tibialis anterior. Extensor hallucis longus. Extensor digitorum longus. Fibularis tertius.« Sie zählte Muskeln auf, die mir fehlten.
Das brachte mich auf eine Idee. Ich durfte uns nicht als zwei Menschen betrachten. Wir waren eine Ansammlung von Körperteilen. Gemeinsam verfügten wir über ein Augenpaar, zwei Füße, drei Hände, zwei Gehirne; also alles, was wir brauchten. Es war einfach eine Frage der Ressourcenverteilung.
Ich packte das Steuerrad. »Ich lenke. Du hältst die Augen geschlossen und bedienst die Pedale, wenn ich es dir sage.«
»Triceps surae.«
»Beschleunige bis zum Anschlag.«
Die Wachen näherten sich.
»Plantaris.« Lola stieg aufs Gas. Der Wagen schoss nach vorn. Ich zielte auf einen Wachmann links von dem Kleintransporter: ein älterer Typ mit Schnauzer. Mit professioneller Leichtfüßigkeit wich er aus. Nicht einmal erschrocken wirkte er, was ich ein wenig beleidigend fand. Allerdings war es auch schwer zu erkennen. Der Schnauzer war sehr buschig. Als wir vorbeifuhren, leerte er sein Magazin in unsere Räder. Das Platzen der Reifen dröhnte im Wageninneren, als würde eine Bande mit Baseballschlägern auf unser Dach trommeln. Allerdings wäre das genau genommen noch eine Verbesserung gegenüber der Realität gewesen. Vielleicht hätte ich Lola also etwas in dieser Richtung vorschwindeln sollen. Wir rumsten auf die Straße. Ich zerrte am Steuer, was nicht einfach war mit einer Hand vom Beifahrersitz aus. »Weniger Beschleunigung!« Meine Warnung kam nicht schnell genug, und wir krachten gegen ein parkendes Auto. Ich wurde auf Lola geschleudert, und ihr Kopf prallte vom Seitenfenster ab. Sie gab etwas von sich wie Gak , aber wahrscheinlich meinte sie damit nichts Bestimmtes. Dann bekam ich das Lenkrad wieder zu fassen. »Beschleunigen!«
Wir bewegten uns nicht. Lolas Augen waren weit aufgerissen und auf mich gerichtet. Sie war blass. »Mit dir … alles in Ordnung?«
»Ja, mir geht’s gut.« Ich spähte durchs Rückfenster. Wachleute von Better Future rannten uns nach. Immer noch keine Spur von Carl! Ich begriff nicht, dass er nicht hier sein sollte. Doch wir bewegten uns nicht, und das war im Moment dringender. »Fahren wir.«
»Vielleicht war es ein Fehler. Dass ich die Augen zugemacht habe.«
Das Armaturenbrett war dunkel. In der Luft hing ein unangenehmer Geruch, scharf und heiß.
Lola lehnte sich vor, bis sie mit der Stirn das Lenkrad berührte.
»Hast du …« Mir fiel kein passendes Wort dafür ein. »Hast du dich entladen?«
»Ich dachte, wir … hätten einen Zusammenstoß gehabt. Und dass du dich verletzt hast.«
»Hände auf die Armaturen! Sofort!«
Wachleute umringten den Wagen und zielten mit Waffen auf uns. »Ich will Hände sehen!«, brüllte einer, und ein anderer präzisierte: »Sofort! Los!« Sie schienen nervöser als vorhin, als ich direkt mit dem Auto auf sie zugerast war. Einer riss meine Tür auf und sprang zurück, als wäre ich bissig. »Er bewegt sich!«
»Keine Beine!«, rief der Typ mit dem Schnauzer. »Er hat die Beine nicht an!«
»Verstanden! Gesuchter hat keine Beine!«
Die Waffen verschwanden in ihren Halftern.
»Bringt sie in den Transporter«, befahl der Schnauzer. »Tempo!«
Sie griffen nach mir. »Hände weg«, sagte ich und wurde ignoriert. Zwei Kerle packten mich unter den Achseln und hoben mich aus dem Auto. »Nehmt wenigstens meine Beine mit!« Ich drehte mich nach hinten und bemerkte aus dem Augenwinkel, wie
Weitere Kostenlose Bücher