Maschinenmann: Roman (German Edition)
andere Sicherheitskräfte Lola vom Fahrersitz zerrten.
Ein weiterer Wachmann gaffte durch das Seitenfenster. »Hier … nein, das sind nicht die Beine! Das sind nur Krücken.«
»Wo sind die Contours?«, fragte einer der Kerle, die mich trugen. Er sprach ohne jede Anstrengung.
Plötzlich bremste eine schwarze Limousine vor uns. Alle Türen platzten gleichzeitig auf. Hinten kletterte Cassandra Cautery heraus. Ihr Blick zuckte an mir vorbei und blieb schließlich am Schnauzer hängen. Sie wirkte unheimlich ruhig, ihr Gesicht war ohne jeden Ausdruck. Das machte mich nervös, weil ich keine Ahnung hatte, was in ihr vorging. »Die Beine?«
»Wir haben sie nicht …«
»Sucht sie.«
»Ja, Ma’am.«
»Und bringt ihn ins Auto. Wir haben wohl noch genug Zeit.«
»Ja, Ma’am.« Sie trugen mich zur Limousine.
Dann brandete ein Geräusch heran, eine Art Knirschen aus weiter Ferne. Alle erstarrten. Eine Sirene heulte: die Alarmanlage von einem Auto oder einem Haus.
»Weg hier. Er kommt.« Cassandra Cautery schaute die Wachleute an und schnippte mit den Fingern.
Sie verstauten mich auf dem Rücksitz der Limousine und knallten die Tür zu. Ich bemerkte, dass sie nicht verriegelt war, also öffnete ich sie. Ein Wachmann starrte mich an und schlug sie erneut zu. Diesen Ablauf wiederholten wir zweimal.
»Schluss damit.« Mit einem Donk verriegelte der Fahrer meine Tür. Im Rückspiegel waren seine Augen zu erkennen: Herablassung von einem Typen, der mit einem Fuß auf dem Gaspedal eines Wagens mit zweihundert PS stand.
Nun öffnete sich die Tür gegenüber. Cassandra Cautery ließ ihren grau berockten Hintern auf den Ledersitz gleiten. »Los«, forderte sie den Fahrer auf. Als sich der Wagen in Bewegung setzte, drehte sie sich um und spähte durchs Heckfenster.
»Wo ist Lola?« Als ich keine Antwort erhielt, drehte ich mich um. Die Türen des weißen Transporters wurden zugeknallt, dann schob er sich hinter uns auf die Straße. Mehrere zurückgebliebene Männer in grauer Uniform sprinteten zu Angelicas offener Garage. » Wer kommt?«
Cassandra Cautery fixierte meine Schenkel. Noch immer hatte sie keine Miene verzogen. »Sie hat wohl die Contours durchgeschmort.«
»Ja.«
»Gut.« Wieder schielte sie durchs Rückfenster. »Wissen Sie eigentlich, was ich in den letzten fünf Wochen durchgemacht habe?«
Ich starrte sie an, weil es sich anhörte, als hätte sie Wischen Sie gesagt.
»Ach, Sie wollen es sehen? Hier, bitte.« Sie beugte sich zu mir und zog ihre Lippe nach vorn. Zwischen ihren strahlend weißen Zähnen war eine Lücke. Aber nicht wie vorher. Es war eine Schlucht. Mit einem Plopp ließ sie die Lippe zurückschnappen. »Die haben mir erzählt, dass sie es richten können. Sie haben den Zahn bis nach unten abgeschliffen, und wischen Sie was? Sie haben sich getäuscht. Ich spüre die Hälfte von meinem Geschicht nicht mehr. Ich spüre mein Geschicht nicht mehr. « Sie rammte sich den Finger an die Stirn. »Es ist wie Stein. « Sie bemerkte, dass uns der Fahrer im Rückspiegel beobachtete. »Was gibt’s da zu gaffen?« Seine Augen huschten zurück zur Straße. »Wischenschaft ist Scheische, Charlie. Echt Scheische. Man will Superbeine und Laborassistenten mit Augen wie Scheinwerfer, und das ist alles möglich, klar, und aus einer Labortechnikerin, die aussieht wie ein Pferd , kann man ein Model machen. Aber bei einer ganz einfachen Schache wie Diastema bleibt das Geschicht gelähmt. Ich bin verheiratet. Wuschten Sie das? Er ist Anwalt. Und er erwartet, dass ich einen Geschichtsausdruck habe. Er erwartet schichtbare Reaktionen. Was passiert, wenn er es merkt?« Sie starrte mich an. »Am liebsten würde ich eine Bombe auf Ihre Abteilung werfen. Die Umsatzprognosen sind mir scheischegal. Visionäre Strategien sind mir scheischegal. Was die da oben« – sie stieß den Finger an die Wagendecke – »nie kapieren, ist, dass Chaosch um sich greift. Es frischt die Organisation auf. Und Ihre Abteilung ist ein einziges Chaosch, das weiteres Chaosch erzeugt und irgendwann die ganze Firma auffrischt. Niemand versteht das. Wenn Sie davon auch nur ein Sterbenswörtchen weitersagen, werden Sie es bereuen.« Der letzte Satz war an den Fahrer gerichtet, dessen Augen wieder zum Spiegel gedriftet waren. »Wir haben einen neuen Vorstandsvorschitzenden. Das sollte Sie freuen. Einen Manager kann man nicht umbringen. Man tauscht nur einen Körperteil aus und wirft die Maschine wieder an. Sieht sogar so ähnlich aus wie der alte.
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