Maschinenmann: Roman (German Edition)
Better-Future-Komplex. Auf dem Dach waren Scheinwerfer aufgestellt, deren Licht die Abenddämmerung durchdrang. »Falls es Sie interessiert, das Gebäude wurde repariert. Der ganze Flügel muschte auf Schäden untersucht werden. Die Leute muschten wochenlang in der Cafeteria arbeiten. Ein echter Albtraum.« Wieder drehte sie den Hals, um durchs Rückfenster zu spähen. »Carl verfolgt uns. Sobald er hier ist …« Sie schielte zu mir. »Bekommt er die medizinische Behandlung, die er braucht.«
Das Trommeln in meinem Kopf wurde fast schmerzhaft. Körperteile. Körperteile. Ich bemühte mich, das beiseitezuschieben, weil ich unbedingt etwas klären musste. »Sind Sie sicher, dass ich alle Körperteile bekomme, die ich haben will?«
»Ja.«
»Für mich.«
»Niemand sonst kann damit umgehen.«
»Ich kann meine eigenen Körperteile entwerfen und bauen.«
»Zwischen den Tests für die besseren Militärprodukte . Selbstverständlich, Charlie. Vertrauen Sie mir. Die Sache hat keinen Haken.«
Ein Jammer, dass ich nicht in Gesichtern lesen konnte. Wenn mir jemand in die Augen schaut und einen ernsten Ton anschlägt, dann glaube ich ihm. Andererseits hätte mir eine bessere Menschenkenntnis bei Cassandra Cauterys starrer Miene wohl auch nicht viel genützt.
Das Auto fuhr hinunter in die Tiefgarage. An den Fenstern zuckten gelbe Lichter vorbei. Ich roch Öl. Dann fiel mir meine Fantasie über die Flucht an einen verschneiten Ort und das technikfreie Leben als Einsiedler ein. Wie war ich bloß auf so was gekommen? Einfach nur idiotisch.
»Willkommen zu Hause«, sagte Cassandra Cautery.
Ich blieb von ihr abgewandt, weil ich nicht wollte, dass sie meine Aufregung bemerkte.
Ich habe eine ausgeprägte Konzentrationsfähigkeit. Wenn mich etwas gefangen nimmt, vergesse ich alles andere. Zum Beispiel, mit wem ich gerade geredet habe oder wo ich hinwollte. Bei der Feier zu meinem sechsten Geburtstag wurde ich von der neuen Waschmaschine abgelenkt und sah ihr zu, wie sie durch die Zyklen tickte, bis mein Vater hereinplatzte und fragte, was ich da eigentlich trieb, verdammt, alle waren schon am Aufbrechen. In der Highschoolzeit überquerte ich eine Straße und bemerkte ein schönes Mädchen. Erst als sie sich umdrehte, weil alle hupten, wurde mir klar, dass ich wie vom Donner gerührt stehen geblieben war und ihr nachgaffte. Wenn ich an ihren Blick denke, brennen mir noch immer die Ohren.
Eine nützliche Eigenschaft, keine Frage. Ohne sie hätte ich es in der Wissenschaft wahrscheinlich nicht so weit gebracht. Doch sie ist nicht immer günstig. Zum Teil macht mir das nichts aus, weil die Waschmaschine eigentlich interessanter war als die Party, doch manchmal wäre es mir hinterher lieber, wenn die Rollläden nicht heruntergefahren wären. Wenn ich genug Eigenwahrnehmung besessen hätte, um zu erkennen, dass ich wie ein Idiot mitten auf der Straße herumstand. Wenn in meinem Gehirn noch Platz für andere Gedanken als Wann kriege ich Körperteile und Wie weit sind die wohl inzwischen bei den Beinen gewesen wäre, als die Limousine neben dem Garagenaufzug stoppte. Denn die Tür öffnete sich, und ich bemerkte einen Wachmann mit einem Rollstuhl, ohne auch nur ein einziges Mal an Lola zu denken.
Cassandra Cautery fuhr mit mir im Aufzug. Im Erdgeschoss öffnete er sich, und ein Wachmann schob mich in den Korridor. Mit dem Gesicht zur Wand standen drei Weißkittel, die Hände ordentlich hinter dem Rücken gefaltet. Als wir das Atrium passierten, waren alle Stühle abgewandt. Ich sah die Hinterseiten von Anzugjacketts. Vor ein oder zwei Jahren hatte ich mich einmal in der Cafeteria aufgehalten, als ein Wachmann alle aufforderte, bitte das Gesicht zur Wand zu drehen, weil geheimes Material durchtransportiert werden musste. Ich hatte die Anweisung befolgt.
Als wir hinunterglitten, bemerkte Cassandra Cautery: »Ihre Abteilung hat während Ihrer Abwesenheit fleißig weitergearbeitet.«
Die Türen glitten auseinander. Am Ende des Gangs stand ein Bursche in grünem T-Shirt und zerfetzter Jeans. Ich kannte ihn nicht, weil wir niemanden einstellten, der drei Stunden am Tag im Fitnessstudio verbrachte. Seine Augenbrauen zuckten nach oben. Er klatschte sich an die Stirn, als könnte er es nicht fassen. Dabei spannten und beulten sich seine Muskeln. »Dr. Neumann!« Er drehte sich um und legte die Hände trichterförmig um den Mund. »Neumann ist wieder da!«
»Bessere Muschkeln.« Cassandra Cautery klang angewidert. »Wachsen anscheinend im
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