Masken der Lust (German Edition)
immer noch Zauberbücher. Dazu Duftkerzen, Windspiele, Kristalle und Hausschuhe, die mit Tierkreiszeichen bestickt waren.
«Ist das zu glauben?» Sie wandte sich zu Marco um, der endlich zu ihr aufgeschlossen hatte. «Da müssen wir hinein.»
Sarah öffnete die Tür, ging voraus und atmete den Duft von Weihrauch und Räucherstäbchen ein. Im Augenwinkel nahm sie hinten im Laden ein Aufleuchten von Farbe wahr, einen unbestimmten Farbton im Halbschatten, und dann sah sie, wer ihn trug. Jemand mit langem weißem Haar. Allerheiligster Strohsack.
Veronica.
Die ältere Frau stand mit dem Rücken zu ihnen in der Abteilung mit Büchern über Göttinnen, zog unterschiedliche Bände hervor, schaute flüchtig hinein und stellte sie mit geringschätziger Miene zurück ins Regal.
Sarah ging zu ihr. «Geht es dir gut?»
Veronica drehte sich um. «Hallo. Ich habe mich gefragt, wann ihr mich finden würdet.»
«Hast du uns, äh, einbestellt?»
Veronica warf einen finsteren Blick in Marcos Richtung. Er hatte seine Plauderei an der Theke mit der molligen Verkäuferin mittleren Alters, die offensichtlich von ihm bezaubert war, unterbrochen. «Habe ich. Er hat fortwährend meine Schwingung blockiert.»
«Oh.» Es kam Sarah in den Sinn, dass man äußerst gut daran täte, die beiden auseinanderzuhalten.
«Diese Bücher sind fürchterlich», sagte Veronica. «Und so ungenau. Ich kannte einige dieser Göttinnen. Sie waren überhaupt nicht so.» Sie seufzte und rauschte an Sarah vorbei, der auffiel, dass Veronicas Kaftan zwar zerknittert, aber trocken war. «Komm. Gehen wir woandershin.»
Sarah sah zu Marco, der tat, als würde er sie nicht beachten. «Was ist mit ihm?»
«Hmpf.» Veronica zeigte mit dem Finger auf ihn, und er verschwand. Die erschrockene Verkäuferin stieß einen damenhaften Kiekser aus.
Sarah sperrte den Mund auf. «Wo ist er? Was hast du mit ihm gemacht?»
«Auf Burano», entgegnete die Ältere ruhig. «Eine Fischerinsel. Er wird sich ein Boot leihen müssen. Oder eines stehlen. Ich habe seine Fähigkeit zur Umwandlung für die nächste Stunde aufgehoben. Wahrscheinlich wird er einfach abwarten und bleiben, wo er ist.»
Sarah schluckte heftig. Würde sie Einspruch erheben, würde die Zauberin ihr dasselbe antun.
Veronica rauschte zur Ladentür hinaus, und Sarah folgte. «Wo gehen wir hin?»
«An einen meiner Lieblingsorte.» Sie schlug eine andere Richtung ein als die, aus der Sarah und Marco gekommen waren, glitt beinahe die Gasse hinunter, bewegte sich mit solcher Geschwindigkeit, dass es Sarah schwerfiel mitzuhalten.
Sie gelangten in die Nähe der Rialtobrücke. Uff. Sarah stieß den Atem aus. Hier kannte sie sich ein wenig aus. Und es sah nicht viel anders aus als damals, als sie und Marco in seiner Gondel zum Markt gefahren waren.
Veronica ging zu einem Straßencafé und wählte einen Tisch mit Blick auf eine Kirche. «Setz dich.»
Ihr herrisches Gebaren verdross Sarah ein wenig, aber sie ließ sich nieder. Veronica bestellte zwei Gläser Weißwein und eine Auswahl venezianischer Antipasti, und der Ober entfernte sich. Schweigend sahen sie ein paar Leute vorbeigehen.
Die Sonne stand niedrig am Himmel, und bald würde der abendliche Spaziergang der Leute, die passeggiata, einsetzen. Veronica schaute nach oben, und Sarah tat es ihr gleich, folgte ihrem Blick zu dem Kirchturm mit seiner ungewöhnlichen Uhr.
«Das ist die älteste Kirche Venedigs», sagte Veronica. «San Giacomo di Rialto. Und sie steht auf den Ruinen eines viel älteren Tempels. Ein Ding ersetzt das andere.»
Sarah nickte. Sie betrachtete noch immer die Uhr, die ziemlich groß war und weit mehr Unterteilungen aufwies, als sie erwartet hätte.
«Es ist eine Vierundzwanzigstundenuhr», erläuterte Veronica. «Um Mitternacht bleibt sie für einen Sekundenbruchteil stehen, ehe die fünfundzwanzigste Stunde beginnen kann. Im selben Augenblick werde ich von hier aufbrechen.»
«Oh.»
«Aber ich wollte dich sprechen.»
«Wegen …» Als ob Sarah es nicht wüsste. Marco natürlich.
«Er liebt dich, weißt du? Was immer davon zu halten ist. Von den anderen liebte er keine.» Der Zorn in der Stimme der Älteren war schwächer geworden. «Ich kann in seinen Augen lesen. Es liegt etwas ganz anderes darin, wenn er dich ansieht.»
Wie führte man eigentlich eine Unterhaltung mit einer Zauberin? Allgemeine Bemerkungen waren wahrscheinlich angebracht. «Das ist interessant.»
«Und ihr werdet euch wiedersehen. Er ist ungestüm, aber
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