Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)
Er keuchte auf. Waren da Tränen in seinen Augen?
Orden? Brüder? Watov? Ferin hätte zu gern gefragt, wovon er da sprach, schwieg aber, um ihm Zeit zu geben, sich wieder zu fangen.
»Ich hätte da sein sollen, bei ihnen, aber ich kam zu spät. Dann …« Martu ballte die Hände zu Fäusten, von den aufgestellten Stacheln tröpfelte Gift auf seine Hose. »Ich musste fliehen. Drei Krieger waren hinter mir her. In einer Höhle erwischten sie mich. Zwei hielten mich fest, an den Armen. Ich wusste, sie würden mich töten, doch sie wollten erst ihren Spaß. ›Wir machen dich zum Menschen‹, sagten sie. Sie lachten und … einer nahm sein Messer und schnitt …« Zischend atmete er aus. »Ich trat ihm zwischen die Beine und dem anderen gegen das Knie. Ich bekam die Hand frei, schnappte das Messer und … tötete einen. Der Dritte zog sein Schwert und stach zu. Aber ich konnte fliehen.«
Vor Ferins Augen stoben Bilder auf wie verschreckte Falter. Sie war wieder in der Höhle, mit ihm. War ein Teil von ihm, wie in ihren Träumen. Sie setzten sich gegen die Krieger zur Wehr, kämpften um ihr beider Leben, töteten. Dann fiel die Vision in sich zusammen, schrumpfte zu einem Punkt in der Unendlichkeit. So vieles an seinem Bericht blieb unklar, er schuf nur noch mehr Fragen. Und die wichtigste war: Wie konnte er von der Höhle – die es ihres Wissens hier nirgendwo gab – in den Dschungel gelangen? »Wie? Wie bist du hierhergekommen?«, fragte sie.
»Das ist der schwierige Teil der Geschichte.«
Ferin gab ein ermunterndes »Hm« von sich und hoffte auf die ausstehende Erklärung.
Sie kam nicht. Martu beugte sich vor, sein Atem ging flach und schnell. »Mir ist übel … alles dreht sich.«
»Du musst dich wieder hinlegen. Ich bringe dich hinein.« Sie fasste nach seiner Hand, die er ihr erwartungsgemäß sofort entzog. »Martu«, sagte sie sanft, »leg deinen Arm um meine Schulter. So kann ich dich stützen.«
»Nein. Meine …«
»Dein Gift kann mir nichts anhaben.«
Er sah hoch, Skepsis im Blick. Dann kam er ihrer Aufforderung nach. Gemeinsam standen sie auf. Er schlotterte vor Schwäche, keinen Schritt hätte er allein gehen können. Ferin führte ihn ins Haus und half ihm, sich auf die Matratze zu legen. Sie zog ihm die Stiefel aus. Darunter trug er Strümpfe und zusätzlich Lederbandagen. Als sie seine Hosenbeine hochschob, richtete er sich wieder auf und tastete nach ihrer Schulter. »Nesjen.«
»Sei vernünftig«, bat sie. »Es ist viel zu heiß hier. Das bringt deinen Kreislauf durcheinander.«
Ergeben sank er zurück und ließ es zu, dass sie die Lederschnüre öffnete und an beiden Beinen die Bandagen abwickelte. Die Stacheln, die an den Waden saßen, waren kürzer und fester als die an den Handgelenken und endeten unterhalb der Kniekehle. Abgesehen davon waren seine Beine und Füße ganz normal.
Ferin erlag dem unbestreitbar verrückten Bedürfnis, ihn dort zu berühren, und strich mit zitternden Fingern an den Stacheln entlang. Diesmal protestierte Martu nicht, er war ganz ruhig. Als sie in sein Gesicht blickte, stellte sie erleichtert fest, dass er eingeschlafen war.
Am frühen Nachmittag kamen die Rebellen von ihrer Erkundung zurück. Ferin folgte ihnen zum Dorfplatz und besorgte bei Niva eine Matte, eine Decke und ein Kissen zum Schlafen für sich und ein Hemd für Martu. Danach baten die Männer sie in ihre Runde an der Feuerstelle.
»Wir haben nichts gefunden«, sagte Rhys. »Keine Hufspuren, keine Pferdeäpfel, nichts. Nicht einen Hinweis darauf, wie er nach Rhivar gekommen ist.«
Es hörte sich wie ein Vorwurf an. Unbehaglich schaute Ferin von Rhys zu Akur, dann weiter zu Tamir und Sobenio. Der Magier war, ganz entgegen seiner Art, bei der Gruppe geblieben und hatte seinen Platz neben Tamir eingenommen. Sie traute ihren Augen kaum, als sie entdeckte, dass er den magischen Stein an einem Lederband um den Hals trug.
Akur spuckte ein zerkautes Stück Kynrinde aus. »Da waren nur ein paar Äste, die der Sturm von den Bäumen gefegt hatte. Rhys hat die Straße bis an den Rand des Dschungels abgesucht. Das ist ein gutes Stück, man benötigt einen Tag mit dem Pferd. Aber er hat nichts gefunden. Absolut nichts.«
»Weißt du inzwischen mehr von ihm, Ferin?«, fragte Tamir. »Ist er aufgewacht?«
»Ja. Er konnte aufstehen und essen. Doch er ist sehr schwach, es wird noch ein paar Tage dauern, bis er sich erholt hat.«
»Und?« Auffordernd hob Tamir die Brauen. »Konntest du mit ihm
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