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Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)

Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)

Titel: Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mara Lang
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einziges. Die Natur war so ungerecht.
    Ferin widerstand dem Impuls, sein Gesicht zu betasten, obgleich es sie geradezu magisch anzog, und floh ins Freie, wo sie sich an den Dachpfosten lehnte.
    Nun, da sie ihn endlich erkannt hatte, flackerten die verschiedensten Bilder in ihrem Gedächtnis auf, und mit einem Mal konnte sie jedes einzelne einer Begegnung mit ihm, dem Jungen von damals, zuordnen: die Pferde – sie in seinem Arm, geborgen an seinem Herzen. Am Brunnen – er an der Pumpe, mit einem neckischen Lachen auf den Lippen, als er sie von Kopf bis Fuß mit Wasser bespritzt hatte. Der Karren voll Geschirr – Hand in Hand durch die Straßen. Das Versteck in der Gasse – ihre Finger in seinem Gesicht vergraben, sein Atem an ihrer Halsbeuge. Ke shom baley  – Worte, die alles bedeuteten und doch wieder nichts. Irrlichter ihrer Vergangenheit. Und so präsent, als wäre es gestern gewesen.
    Dann wieder mengten sich Splitter anderer Erinnerungen dazwischen. Erlebnisse, die ihm gehörten, von denen sie eigentlich nicht wissen konnte und die sie dennoch in sich trug: Der Saal mit den Büchern, die fremden Krieger, die Flucht durch die Gänge, die Höhle, nassglänzender Fels, das Tosen der Wellen. Und Angst. Ausweglosigkeit. Das Wissen, versagt zu haben. Fremde Gefühle, die wie Essig in ihren Eingeweiden brannten. Seine Gefühle. Es musste eine Verbindung zwischen ihnen geben. Musste. Das konnten nicht bloß Traumgespinste sein.
    Als von gegenüber Knacken und Scharren aus dem Buschwerk ertönte, blickte Ferin auf. Ziagál? Nein, es war wieder still. Schade. Sie hatte sich so an die Nähe des Tigers gewöhnt, dass sie sich ohne ihn richtiggehend einsam vorkam. Gerade jetzt sehnte sie sich heftig nach einem seiner Schnurrkonzerte.
    Ein wehmütiges Seufzen – schon wollte sich ihr Denken wieder mit Martu befassen. Schluss damit, Ferin! Das treibt dich noch in den Wahnsinn. Auf der Suche nach einer sinnvollen Beschäftigung stieß sie auf einen vollen Sack, der im Vorbau lag. Sie bückte sich danach. Crujuschoten. Sobenio musste am Abend zuvor noch einmal zum Stadttor zurückgegangen sein, um sie einzusammeln.
    »Darf ich?«
    Ferin fuhr hoch. Martu stand in der offenen Tür. »Bei den Mächten! Hast du mich erschreckt.«
    Er zog ein schuldbewusstes Gesicht und deutete mit einer fahrigen Handbewegung ins Dickicht. »Darf ich?«
    Was wollte er? Oh! »Ja. Sicher.«
    Leicht schwankend verschwand er hinter dem Haus. Sie wartete. Nach einer Weile tauchte er wieder auf. Immer noch schwankend, aber sichtlich entspannter. Ferin verbiss sich das Grinsen. Sie ging ihm entgegen und wollte ihn stützen.
    »Nesjen. Es geht schon. Danke«, wiegelte er ab und blieb unschlüssig stehen.
    Ferin konnte den Blick nicht von ihm wenden. Er war ein eindrucksvoller Mann, etwa eine Handbreit größer als sie und – wie sie schon am Vortag festgestellt hatte – gut gebaut. Die Stacheln an seinen Unterarmen waren zur Hälfte aufgerichtet, Gift trat jedoch keines aus. Konnte er es willentlich steuern? Oder waren es unbewusste Vorgänge seines Körpers, die nur dann abliefen, wenn er in Bedrängnis war? Er war am Oberkörper kaum behaart, nur am Bauch fand sich eine dichtere Linie schwarzer Härchen. Ob seine Beine auch glatt waren?
    Ferin schluckte, solche Überlegungen hatte sie niemals zuvor angestellt. Und sie schluckte noch einmal, als ihr bewusst wurde, dass auch er sie unverhohlen gemustert hatte. Diese Bestandsaufnahme war bestimmt weniger positiv ausgefallen, an ihr gab es nichts Erfreuliches zu sehen. Höchstens Grauenerregendes. Konnte er sich denn auch an sie erinnern?
    Irgendwann, irgendwo trieb sie ihre Stimme auf. »Du solltest dich wieder hinlegen.«
    Martu verneinte, suchte Halt an einem der Pfosten und starrte sie weiter an.
    Diese Augen! Tiefschwarz, wie der samtene Nachthimmel.
    »Hast du Hunger?«, fragte sie. »Ich habe Brei für dich. Und Früchte.« Als er nicht reagierte, führte sie die Hand zum Mund. »Essen. Möchtest du etwas essen?«
    Er hob zu einer Erwiderung an, zauderte. Endlich sagte er: »Du hast mein Leben gerettet. Ich möchte dir danken.«
    Ferin lächelte. Das waren zwei klare, vollständige Sätze. Hatte er heimlich geübt?
    »Gern. Du sprichst meine Sprache heute besser.«
    »Ich bin wieder …« Er griff sich an die Stirn. »Wie sagt man? Bei Sinn.«
    »Bei Sinnen. Ja, verstehe. Du solltest dich trotzdem schonen. Dich hinlegen oder zumindest setzen. Und etwas essen.«
    Er schien ihre

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