Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)
Gang, Vater. Bitte! Wie kommt man hinein?«
»Der Gang …« Najid kehrte in die Realität zurück. »Nein …«
»Vater, bitte! Für mich«, flehte Ferin.
Er seufzte. Ein Mal, ein zweites Mal. Dann gab er nach. »Es gibt … einen Hebel im Maskenbecken. Er öffnet eine Tür im Spiegel.«
Rhys atmete hörbar aus – das war der Hinweis, nach dem sie gesucht hatten.
»Woher weißt du das?«, hakte Ferin nach. Sie musste sichergehen, dass es nicht nur leeres Gerede war, das er irgendwo aufgeschnappt hatte.
»Vor gut zehn Jahren habe ich im Auftrag des Gán einige Spiegelflächen ausgetauscht. Zur gleichen Zeit wurde auch das Maskenbecken gereinigt, und ich konnte einen Blick hinein werfen. Der Hebel sitzt in der Mitte, direkt neben dem Wasserauslass. Einer der Arbeiter hat mir erzählt, dass damit eine Geheimtür im Spiegel geöffnet werden könne.«
»Ein Hebel also«, murmelte Rhys. »Am Grund des Beckens? Wie sinnvoll ist das denn?«
Najid sah ihn scharf an. »Sehr sinnvoll, wenn man verhindern will, dass sich Unbefugte, im Speziellen pheytanische Rebellen, Zutritt zum Berg verschaffen.«
»Wie auch immer«, sagte Ferin nach einer kurzen Pause. »Dann muss eben jemand hinuntertauchen und den Hebel betätigen.«
Rhys ließ ein Brummen hören. »Nicht ungefährlich, ich traue den Maskenbiestern nicht.«
»Und wenn man das Wasser ablässt? Das würde die Sache vereinfachen und obendrein die Masken vernichten.«
»Es dauert einen ganzen Tag, das Becken zu leeren«, meinte Najid. »Ich konnte das damals beobachten. Außerdem – wisst ihr denn, wo man die Auslasssperre öffnet?«
Ferin schüttelte den Kopf.
»Wisst ihr überhaupt, was euch im Berg hinter dem Spiegelsaal erwartet?«, fragte Najid weiter.
Sie verzog den Mund. »Nicht genau …«
»Seht ihr, euer Vorhaben ist unüberlegt und leichtsinnig. Ihr werdet nichts bewirken. Gar nichts.«
»Wir werden es trotzdem versuchen«, erklärte Ferin. »Die Herrschaft der Merdhuger muss ein Ende haben. Wir werden die Masken zerstören. Und eine Abänderung der Konvention fordern.«
»Bei wem denn?« Najids Stimme war laut geworden. Verächtlich. »Der König ist tot, die Königin nicht handlungsfähig.«
»Was heißt, nicht handlungsfähig?«, fragte Rhys rasch.
Najid machte eine wegwerfende Handbewegung. »Sie ist geistig verwirrt, so scheint es, seit Jahren schon. Nur eine schöne Hülle. Keiner weiß, was mit ihr los ist. Es bleibt abzuwarten, wer die Regierung übernimmt, und bis dahin hat der Gán das Sagen.«
»Dann werden wir unsere Forderungen eben an ihn richten«, sagte Ferin.
»Weshalb sollte er darauf eingehen? Er wird nicht mit euch verhandeln.«
»Er wird verhandeln müssen, es bleibt ihm gar nichts anderes übrig. Ohne Masken haben die Merdhuger nichts mehr in der Hand, um die Pheytaner zu beherrschen.«
Najid lachte. »Das ist ein Wunschtraum, Ferin. Selbst wenn es euch gelingt, die Masken zu zerstören, wer sagt, dass sie nicht neue erschaffen?«
»Unser Magier wird einen Zauber aussprechen.«
»Magier! Pah! Ihr werdet sterben. Der Gán lässt euch hinrichten.«
Erneut kochte Ärger in Ferin hoch. »Du wirst uns nicht davon abbringen«, zischte sie.
»Dann geht. Ich habe euch gesagt, was ihr wissen wolltet, und nun geht.« Sekundenlang starrte er sie blicklos an, ehe er weitersprach. »Ich möchte nichts mehr damit zu tun haben. Wenn ihr euer Leben aufs Spiel setzen wollt, dann bitte.«
»Das«, Ferin deutete auf Najids Gesicht, »ist kein Leben. Und es ist keine Freiheit.«
33 Im Dunkel der Nacht
D ie Tür zur Werkstatt fiel hinter Ferin zu. Ohne auf Rhys zu achten, ging sie zum Wohnhaus ihrer Eltern hinüber. Blieb nach einigen Schritten wieder stehen. Die Nacht war hereingebrochen, sternenklar und kühl. Ferin legte den Kopf in den Nacken und sog begierig die samtige Luft ein.
Der Zorn auf ihren Vater war verdächtig schnell verraucht. Sie konnte ihm nicht länger böse sein, weder für das, was er ihr angetan hatte, noch für seine festgefahrenen Ansichten. Alle Mächte, was hast du erwartet? Es war nur vernünftig, ihnen von ihrem Vorhaben abzuraten. Ihr werdet alle sterben, hatte er gesagt. Wie viel sollte sie auf diese Zukunftsdeutung geben?
Sie seufzte auf. Hier stand sie und war wieder das Kind mit dem unerfüllbaren Traum von Freiheit. Die Jahre flossen an ihr vorbei, was einst gewesen war, vermischte sich mit ihrer Angst vor dem, was kommen mochte.
Freiheit – das Wort begleitete sie, seit sie denken
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