Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)
nicht trog. Aber auch diese Gasse endete vor einem Haus, und sie musste wieder nach rechts und damit bergauf gehen. Das war schlecht, ganz schlecht.
Fluchend lief sie weiter und verstrickte sich immer tiefer im Gewirr der Straßen. Bergauf, bergab, nach links, nach rechts – sie schien sich nur weiter von der Stadtmauer zu entfernen. Die Häuser sahen alle gleich aus, längst konnte sie nicht mehr sagen, ob sie durch die eine oder andere Gasse nicht bereits aus der Gegenrichtung gekommen war. Von irgendwoher trommelten Absätze über das Pflaster, deutlich hallten sie durch die schweigende Nacht, bald näher, bald weiter weg, und sie betete, dass es Rhys gelang, seine Jäger abzuschütteln.
Schließlich erreichte Ferin eine breite Straße, die sich in Kurven nach unten wand. Hier war sie richtig, das spürte sie. Dieser Weg musste einfach zum Stadttor führen. Schon wollte sie den Berg hinunterlaufen, als zu ihrer Linken Schreie erschallten. Erschrocken sprang sie an die Hausmauer zurück und riskierte einen Blick, konnte aber keine Menschenseele entdecken. Sie schlich weiter bis zur nächsten Quergasse und spähte um die Ecke.
Gut sechs Meter von ihr entfernt spielte sich ein verbissener Kampf ab. Im Finstern konnte sie nur ein wildes Knäuel an Gestalten und Bewegungen erkennen. Wie viele waren es? Drei? Vier? Und war Rhys dabei? Sie kniff die Augen zusammen – einer der Männer war blond und trug helle Kleidung: Rhys.
Mit angehaltenem Atem lauschte sie dem Kampflärm: nur Schläge, Keuchen und Ächzen. Kein Degenklirren. Dann fiel etwas scheppernd zu Boden, rutschte bergab und ihr geradewegs vor die Füße. Ein Dolch. Ferin bückte sich danach – Rhys’ Dolch. Sie vernahm einen Schrei, gefolgt von einem Aufprall. Rhys, o nein, nein!, tobte es in ihrem Kopf gleichermaßen wie in ihrem Herzen. Nein, bitte, bitte nicht!
»Mistkerl!«, fluchte ein Mann. Jetzt brandete das Klirren von Degen auf, und der Kampf verlagerte sich ein Stück nach unten.
Keine drei Herzschläge später durchschnitt ein Schmerzenslaut das Gefecht. Er ging Ferin durch Mark und Bein. Sie war sicher, ganz sicher, Rhys’ Stimme gehört zu haben. Es wurde still, nur Stöhnen und heftige Atemzüge drangen zu ihr herüber. Sie wich zurück an die Hauswand und presste die Hand vor den Mund, um ihr Wimmern zu dämpfen.
»Verflucht«, sagte jemand. »Berjon ist tot.«
»Pheytaner-Abschaum!« Ein schleifendes Geräusch – war es ein Stiefelabsatz? –, mehrere dumpfe Schläge, das Stöhnen verstärkte sich. »Ich sollte dich der Länge nach aufschlitzen!«
Warum war Rhys nicht weggelaufen? Warum nur, warum? Deinetwegen! Er wollte sie vom Tor fernhalten … sie hätten dich erwischt. Heiße Tränen kullerten über ihre Wangen, in ihrer Kehle saß ein Knoten, der ihr die Luft absperrte.
»Lass das bloß! Der Gán will ihn sicher verhören.«
»Na und! Dann ist er eben im Kampf getötet worden. Glaubst du, Pelton bemerkt den Unterschied?«
»Nein! Wir nehmen ihn mit. Lebendig ist er mehr wert, wir kassieren eine Belobigung, vielleicht sogar höheren Sold.«
»Und Berjon willst du einfach liegen lassen?«
»Berjon ist tot, Mann! Wir holen ihn später. Hilf mir!«
Ferin konnte sich nicht länger zurückhalten. Trotz ihrer Sorge, entdeckt zu werden, beugte sie sich vor und musste beobachten, wie die beiden Gardisten Rhys in die Höhe zerrten. Er bäumte sich auf und versetzte einem der Männer einen Tritt zwischen die Beine.
»Elender Dreckskerl! Ich bring dich um, du miese Ratte, ich bring dich um!«
Hände schlossen sich um Rhys’ Hals – und die Zeit blieb stehen. Ferins Wahrnehmung reduzierte sich auf sein ersticktes Röcheln. Und auf die brodelnde Angst, dass der Mann seine Drohung wahrmachen könnte. In diesem Augenblick erlosch etwas in ihr. Es fühlte sich an, als würde sich eine eisige Hand um ihr Herz krallen. Kälte fuhr ihr durch die Glieder, verebbte in der nächsten Sekunde und ließ sie seltsam betäubt zurück.
Dann ließ der Gardist von Rhys ab, packte ihn am Arm, und die Männer zogen ihn die Gasse hinauf, hinein in das Dunkel der Nacht.
Alles, was danach passierte, erlebte Ferin wie in einem Alptraum. Sie bewegte sich und handelte automatisch, als würde sie wie eine Marionette an seidenen Fäden hängen.
Sie wischte die blutige Dolchklinge an ihrem Kleid ab. Ein Fleck auf dem Boden, glänzend wie ein schwarzer Spiegel, erregte ihre Aufmerksamkeit. Blut? Sie kniete nieder, tauchte den Zeigefinger in die
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