Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)
beteiligten sie sich am Kampf, und sie starben. Nicht einzelne. Viele.
Ein Gardist rammte einer jungen Frau den Degen ins Herz. Ein Bursche geriet zufällig unter die Pranken des Tigers, der eben einen Soldaten riss. Ein Teil des Gewölbes krachte herab und begrub fünf Menschen unter sich – zwei Gardisten und drei Pheytaner. Einer der Vögel bohrte seine Krallen in den Brustkorb eines Mädchens und zerfetzte ihm den Hals. Zwei bewaffnete Gardisten drängten drei Männer in eine Ecke und schlachteten sie regelrecht ab, bis Akur hinter ihnen auftauchte und sie erstach.
Ferin hoffte inständig, dass jemand – und es war ihr mittlerweile völlig egal, wer – diesem Alptraum ein Ende setzte. Möglichst bald, oder noch besser: sofort. Der Tod war so allgegenwärtig, dass es nicht mehr die Tatsache des Sterbens an sich war, die sie entsetzte, sondern einzig der Anblick der geschändeten Körper und der gebrochenen Augen. Dass sie selbst nahezu unverletzt blieb, erschien ihr wie ein Wunder und auf skurrile Weise beinahe ungerecht den anderen gegenüber. Wieso wurde gerade sie verschont? Am liebsten wäre sie vor allem geflohen. Vor den Schreien, dem Gebrüll, dem Klirren der Waffen, vor dem nicht enden wollenden Gemetzel. Raus aus dem Spiegelsaal und einfach auf und davon.
Aber das war ausgeschlossen, sie konnte ihre Freunde nicht im Stich lassen. So viele waren verletzt und brauchten ihre Hilfe. Obwohl Ferin sich nur um die dringendsten Fälle kümmerte, kam sie mit der Arbeit kaum nach. In der Ecke rechts vom Haupteingang heilte sie Elmó, den ein Stich in die Brust niedergestreckt hatte, ein paar Schritte weiter rettete sie Hoang vor dem Verbluten, und hinter der Mauer bei der Badestube renkte sie gemeinsam mit Martu Dawids ausgekugelte Schulter wieder ein, damit dieser weiterkämpfen konnte.
Während Ferin von einem Verletzten zum nächsten hetzte, immer auf der Hut vor Degen, Tigerpranken und Vogelkrallen, hielt sie Ausschau nach Nolina. Sie hatte sie schon seit einiger Zeit nicht mehr gesehen und war inzwischen ausgesprochen besorgt um sie. Hoffentlich ist sie wohlauf!, dachte Ferin und ging zum wiederholten Mal vor Sobenios Magiestößen in Deckung.
Der Magier versuchte, die Raubvögel zur Strecke zu bringen. Was sich als nicht ganz einfach erwies, denn die Macht der Masken, aus denen der Gán seine magischen Bestien erschaffen hatte, war ungebrochen. Die Vögel kreisten hoch oben im Gewölbe, suchten ihre Opfer ganz gezielt aus und trieben sie in die Enge. Dabei machten sie gemeinsame Sache und waren raffiniert genug, von zwei Seiten anzugreifen und so jede Fluchtmöglichkeit auszuschließen.
Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis Sobenio eine der Kreaturen mit einem Blitzschlag aus der Luft holen konnte, und danach war der zweite Raubvogel umso mehr auf der Hut.
Wie lange es so ging, vermochte Ferin nicht zu sagen. Irgendwann schickte die Sonne die ersten Strahlen durch die Fensterhöhlen, und die Temperaturen stiegen rasch an. Zu diesem Zeitpunkt flauten Kampflärm und Gebrüll ein wenig ab. War es die Hitze oder die allgemeine Müdigkeit? Gewann eine Seite die Oberhand, oder war der Großteil der Kämpfer tot? Hatten die Tiger die Gardisten in die Flucht geschlagen?
Ferin hatte hinter einer Säule angehalten und suchte den Saal weiter nach Nolina ab. Erstmals fiel ihr auf, dass die Zahl der Pheytaner die der Gardisten deutlich überstieg. Das war ein gutes Zeichen. Kopfschüttelnd verfolgte sie Akurs Schläge, die unverändert kraftvoll und sicher waren, und staunte über Jastas ungezügelten Zorn, der ihr im Kampf die nötige Wendigkeit verlieh.
Just in diesem Moment flitzte eine blonde Frau an ihr vorbei, dicht gefolgt von einem Vogel. Ohne groß nachzudenken, setzte sich Ferin in Bewegung. Sie hatte das Gesicht der jungen Frau nicht erkennen können, aber sie war überzeugt, dass es Nolina war, die in Panik durch den Saal flüchtete. Beharrlich rannte Ferin dem schwarzen Ungetüm hinterher, das bald höher stieg, bald im Sturzflug auf die Pheytana herunterschoss und ihr dabei immer näher kam. Das Tier scheuchte sie kreuz und quer durch den Saal.
Ferin versuchte, den Abstand zu verringern, sie schnitt Kurven, schlug Haken, sprang über leblose Körper und holte stetig auf. Vor der Badestube wandte sich die Pheytana nach rechts, und Ferin erhaschte einen Blick auf ihr Gesicht – ja, es war Nolina! Der Vogel wiederum stieg kerzengerade in die Lüfte, drehte ab und zog in einem weiten Bogen über
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