Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)
steinige Ebene davon. Die Arme hatte er ausgestreckt, und er bewegte sie im Laufen auf und nieder, als wäre er ein Vogel, der die Kraft seiner Schwingen zum ersten Mal in sich spürt.
»Frei!«, schrie er. »Ich bin frei, ich bin frei!«
Ferin würgte an einem dicken Kloß in ihrem Hals. Diese Freiheit konnte nur von kurzer Dauer sein.
Gamón war schnell, sehr schnell für sein Alter. Schon war er nur mehr ein schwarzer Fleck, der stetig kleiner wurde und mit der Dämmerung verschmolz.
»Stehen bleiben!« Cobar war weit hinter Gamón zurück, seine hohen Stiefel behinderten ihn beim Laufen. Es war aussichtslos, er konnte den Alten nicht einholen.
Unterdessen hatte der Leutnant von Jasta abgelassen und preschte den beiden Männern zu Pferde nach. »Ich kriege ihn schon!«, schrie er.
Ferin zweifelte nicht daran. Sie kletterte vom Wagen und lief zu Jasta, die am Boden lag und die Augen krampfhaft geschlossen hielt. Ihr Gesicht war blutverschmiert, Sand klebte auf den Wangen. Auf ihren Armen und Beinen waren Blutergüsse und mehrere Kratzer, und Ferin wollte gar nicht so genau wissen, wie es um ihr Gefühlsleben bestellt war.
»Jasta«, flüsterte sie.
Die kleine Pheytana kam unerwartet schnell auf die Beine und strich ihr Kleid glatt. »Verschwinde!«, herrschte sie Ferin an und stolperte zurück. »Lass mich in Ruhe! Los, geh und verkriech dich auf dem Wagen!« Sie rannte davon, sank ein gutes Stück entfernt auf die Knie und blieb dort zusammengekauert hocken.
Ferin stand da wie erstarrt und wusste nicht, was sie tun sollte. Sie fühlte sich so verloren wie nie zuvor. Ihre Bewacher waren weg, vom Hauptmann keine Spur. Im Prinzip hätte sie fortlaufen können, hinein in das Dunkelgrau des Abends. Mit ein bisschen Glück wäre sie auf und davon, bevor die Gardisten überhaupt merkten, wohin sie geflohen war. Schon verwarf sie die Idee wieder. Es war illusorisch. Sie befand sich mitten in der Wüste, ohne Wasser, ohne Essen, ohne Orientierung. Keinen Tag würde sie in dieser Einöde überstehen. Und?, wisperte ein aufsässiger Gedanke in ihr. Was macht das schon? Du wirst ohnehin sterben. Sterben …
Schritte näherten sich – Cobar. Er kümmerte sich nicht um sie, sondern ging, um Jasta zu holen.
Ferin lehnte sich an den Wagen, schloss die Augen, wartete. Sie würden zurückkommen. Alle: der Gardist mit Jasta, Leutnant Hanish mit Gamón und später der Hauptmann. Sie würden übernachten, am nächsten Tag weiterfahren, bis zu diesem Lager. Dort würden sie arbeiten und irgendwann sterben, so wie Jasta es erzählt hatte.
Wie lange es wohl dauerte, bis man am Staub in den Minen erstickte? Machte es überhaupt Sinn, bis zu diesem Zeitpunkt weiterzuleben? Wozu? Wenn man wusste, dass man sterben würde, konnte man es doch auch gleich erledigen. Womit ging es schnell? Mit einem Messer? Einem Degen? Einem Strick um den Hals? Sie hätte gern eines dieser Dinge gehabt, dann hätte sie es sofort hinter sich gebracht. Jetzt, da sie diesen Drang in sich spürte. Da sie noch die Kraft dazu hatte. Ja, es war besser zu sterben, als ein solches Leben zu führen.
Cobar schleppte Jasta heran. Sie gab ein paar Flüche von sich und ließ sich vorwärts ziehen. Es lag ihr einfach im Blut, sich zu widersetzen.
»Hinauf auf den Wagen!«, forderte der Gardist. »Alle beide.«
Sie gehorchten. Jasta verzog sich in die Ecke und schlang die Arme um ihre Beine. Missmutig starrte sie ins Leere. Ferin wagte es nicht, sie anzusprechen. Sie hätte Jasta gern Trost gespendet, war sich aber sicher, dass sie ihn von ihr nicht annehmen würde. Zudem lag ihr nicht ein tröstliches Wort auf der Zunge. Und ihre Todessehnsucht wollte sie nicht unbedingt mit ihr teilen.
Unruhig ging Cobar vor dem Wagen auf und ab, endlich ertönte Hufschlag. Ferin rutschte auf Knien zur anderen Seite und beugte sich über die Planken. Der Leutnant hatte angehalten und war abgestiegen. Quer über dem Pferd, gleich vor dem Sattel, lag Gamón. Reglos.
»Ach du Schande!«, rief Cobar. »Ist er tot?«
Ferin holte Luft, dicht an ihrem Kopf hörte sie einen ähnlich tiefen Atemzug. Jasta hing neben ihr an der Seitenwand. Sie wechselten einen kurzen Blick.
Hanish tastete an Gamóns Hals nach dem Puls. »Nein. Er lebt noch.«
»Trotzdem. Laquor wird sauer sein. Du weißt doch, wie er ist.«
»Und was hätte ich tun sollen? Er ist mir quasi vor den Degen gelaufen.«
»Was ziehst du auch den Degen bei dem Alten! Du hättest ihn auch so zur Strecke
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