Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)
Kugel zu Boden, sie zerschellte auf den Steinen, und Blitze stoben nach allen Seiten. Übrig blieb nur ein Haufen glitzernder Scherben.
Stille.
Ziagál hob die Tatze, um in den Überresten der Kugel zu wühlen, da erschallte ein helles Zirpen. Von unsichtbarer Kraft getrieben, schwirrten die Scherben aufeinander zu und fügten sich ganz von selbst und in vollendeter Perfektion wieder zusammen. Die lila Kugel sandte einen letzten Blitz in die Schwanzspitze des Tigers – er fauchte entrüstet auf –, dann zog sie sich in die Zweige des Gestrüpps zurück, und man konnte ihr sanftes Schimmern sehen. Verdutzt guckte Ziagál nach oben, sein Feind war außer Reichweite.
Ferin seufzte auf, das Spektakel war beendet. Sie kroch zu dem Verletzten und hoffte sehr, dass die magische Kugel ihre Annäherung diesmal zulassen würde. Als weiter nichts geschah, wagte sie es, den Mann zu berühren. Sie tastete über seinen Hals, suchte nach dem Puls. Ja, er war am Leben. Seine Haut war schweißnass, was nicht verwunderlich war, denn das Wams war aus Leder und mit Fellen unterfüttert. Eine absolut ungeeignete Bekleidung bei dieser Hitze. Sie griff ihm unter Schulter und Hüfte, rollte ihn auf den Rücken.
Und keuchte auf.
»Ke shom baley.« Seine Hand streicht über ihr Gesicht … Es waren nur Nebelfetzen einer Erinnerung, aber …
Sie kannte ihn.
Sie kannte den Mann. Aus ihren Träumen. Aus … der Bibliothek. Es war der Mann aus der Bibliothek. Oder doch nicht? Das Gefühl entglitt ihr, als sie ihn näher betrachtete: Er war ein Fremder.
Seine Augen waren geschlossen. Bewusstlos, dachte sie und drehte seinen Kopf sanft zur Seite. Sein Atem flog über ihre Hand, sehr schwach, gerade noch fühlbar. Ein Schatten fiel über seinen Körper, Sobenio war herangetreten.
»Das war sehr unvorsichtig von dir«, schimpfte er. »Wenn du nun dazwischengeraten wärst … Ein Prankenhieb, und du hättest tot sein können.«
»Das konnte ich ja nicht wissen«, rechtfertigte sie sich.
»Und ob du das wissen konntest. Dieser Mann ist kein Pheytaner, Ziagál hätte ebenso gut ihn angreifen können.«
Nein, dieser Mann war kein Pheytaner, eindeutig nicht. Er war jung, vielleicht zwanzig oder nur wenig älter, und sein Gesicht war, bis auf ein braunes Mal unter dem linken Auge, makellos. Nichts als ebenmäßige Haut. Allerdings wirkten seine Wangen stark eingefallen, und er hätte eine Rasur vertragen können. Ob er wirklich ein Merdhuger war? Aus der Nähe betrachtet glänzte sein Haar im Sonnenlicht eher braun, und auch seine Haut war blasser als erwartet.
»Er ist verletzt.« Ferin deutete auf das Blut am Boden. Viel Blut. Er musste noch eine weitere Wunde haben. Sie brauchte nicht lange zu suchen. Das Wams hatte einen Riss, rundum war es blutgetränkt. »Ein Degenstich?«, vermutete sie.
Sobenio blieb stumm.
Ferin schnürte das Wams auf. »Diese Kugel. Hast du das gesehen? Wie sie zerbrochen ist und sich dann wieder zusammengesetzt hat. Wie ist das möglich?«
Sie warfen beide einen Blick nach oben, wo die Kugel nach wie vor im Geäst schwebte. Ziagál hatte sich davor ausgestreckt. Sichtlich zufrieden mit sich, widmete er sich der Fellpflege.
»Das würde mich auch interessieren«, sagte Sobenio. »Magie fällt weg, dazu war er nicht in der Lage.«
»Und wenn sie ohne sein Zutun funktioniert?«
Ferin hatte inzwischen den Brustkorb freigelegt, und Sobenio pfiff leise durch die Zähne. Direkt unter dem Herzen waren die glatten Ränder einer Stichwunde zu sehen.
Er ließ ihre Frage unbeantwortet. »Kein Degenstich«, erklärte er stattdessen. »Eher ein Säbel. Könnte aber auch ein Schwert gewesen sein.« Er schaute sich um. »Wir sollten hier verschwinden. Steh auf und komm, schnell.«
»Warum?«
»Warum? Hier liegt ein verletzter Merdhuger! Und das noch nicht allzu lange. Wo, glaubst du, ist sein Angreifer?«
Daran hatte Ferin überhaupt noch nicht gedacht. Wer hatte den Mann so zugerichtet? Wie war er überhaupt hierhergekommen? Fragen über Fragen, und dann war da noch diese Kugel.
Sobenio wandte sich zum Gehen. »Nun komm schon.«
Doch Ferin blieb sitzen. »Der Tiger«, sagte sie und deutete auf Ziagál, der neben ihr Stellung bezogen hatte und mit schräg gelegtem Kopf auf den Aufbruch wartete. Er verhielt sich wie der reinste Wachhund, irgendwann würde er noch schwanzwedelnd an ihr hochspringen und sie abschlecken. »Schau ihn dir an. Er ist die Ruhe selbst. Wären wir in Gefahr, verhielte er sich ganz anders.
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