Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)
richtete sie doch wieder das Wort an ihn. »Wo führt die andere Straße hin?«, fragte sie.
Er deutete mit einer unbestimmten Handbewegung in den Wald. »Hinaus aus dem Dschungel. Nach Kómund. Früher war das hier eine wichtige Verbindungsstraße in den Süden.«
»Wie viele Pheytaner haben denn in Rhivar gelebt?«
»Viele.«
»So viele wie in Laigdan?«
»Mehr, Ferin. Mehr.« Er streifte sie mit einem Blick, und sie bemerkte das gleiche Elend in seinen Augen, das sie zuvor inmitten der Trostlosigkeit der Ruinen in sich gespürt hatte.
»Hm. Und … weshalb leben wir nicht in Rhivar?«
»Wir?«
»Wir alle. Du. Weshalb nicht?«
»Du hast die Häuser gesehen, es sind Trümmerhaufen. Was davon übrig ist, gehört dem Dschungel. Um sie wieder aufzubauen, braucht man Geräte, Werkzeug und viele kräftige Arme. Woher nehmen? Die Rebellen sind nur eine Handvoll Männer und Frauen. Sie besitzen nichts als ihr Leben.«
Die Rebellen. Bei der Wortwahl horchte Ferin auf. Er distanzierte sich von der Gruppe, so wie er es auch im täglichen Leben tat. Er zählte sich nicht dazu.
Der Magier bückte sich unter einem Ast durch. »Und es geht ja nicht nur um den Wiederaufbau. Eine Stadt erblüht durch Menschen, die darin wohnen, arbeiten, Handel betreiben. Das alles können die Rebellen nicht, sie sind Aufständische, Verfolgte. Sie können den Dschungel nicht verlassen. Wann immer sie es doch wagen, laufen sie Gefahr, von den Merdhugern erwischt und eingesperrt oder getötet zu werden. Wie also sollten sie die Stadt zu neuem Leben erwecken, wenn es ihnen selbst nicht vergönnt ist, in Freiheit zu leben?«
Das war nicht von der Hand zu weisen. Und doch … »Sollte man es nicht versuchen? Wir werden immer mehr, bald wird das Dorf zu klein«, gab Ferin zu bedenken.
»Es geht nicht«, sagte er barsch. »Tamirs und Akurs Einsatz ist löblich, doch irgendwann werden die Rebellen scheitern.«
Ferin schwieg betroffen. Bisher hatte sie sich immer eingebildet, dass Sobenio voll und ganz hinter Tamir stand. Dem war offensichtlich nicht so.
»Sie bewegen sich haarscharf am Abgrund«, grummelte er weiter. Ein mahnender Unterton hatte sich in seine Stimme geschlichen. »Tamir weiß das, dennoch geht er das Risiko ein. Wofür hält er sich? Er bringt alle in Gefahr. Jeden Monat eine Befreiung … das ist unvorsichtig. Die Merdhuger sind schließlich nicht dumm, sie werden sich rächen. Diese Kundschafter neulich … Es war ein Riesenglück, dass nicht mehr passiert ist.«
Die letzte Befreiungsaktion der Rebellen, drei Wochen, nachdem die Gruppe aus Assyr zu ihnen gestoßen war, hatte unter keinem guten Stern gestanden: Das Lager in Jirab, das Tamir, Akur und Rhys sich diesmal wieder vorgenommen hatten, war weit besser gesichert als bei den Befreiungen davor. Akur musste einen Wachposten töten, und auf dem Rückweg, bedenklich nah am Dschungel, wurden die Rebellen und die vier befreiten Pheytaner von einem Erkundungstrupp der Garde überrascht. Rhys inszenierte ein kleines Ablenkungsmanöver, das allerdings nur zum Teil funktionierte. Erneut hatte Akur zum Degen greifen müssen, was den Merdhugern noch einen Toten beschert hatte. Am Ende waren die Gardisten geflohen und die Rebellen mit dem Schrecken davongekommen. Doch seither saß allen die Angst vor weiteren Kundschaftern im Nacken. Nicht ganz unbegründet, wie Ferin fand.
Schneller als erwartet standen die drei vor dem Torbogen. Sobenio wies auf den Sack. »Du warst fleißig. Und jetzt zeige mir, wo du genau warst, als das Unwetter losging.«
Beinahe hätte sie aufgelacht. Sie hätte sich denken können, dass sein Interesse nicht den Crujus galt. Er wollte mehr über diesen Magieausbruch herausfinden.
Ferin ging voraus. Sie fand den Platz ohne Probleme. Doch er war nicht so, wie sie ihn verlassen hatte. Angesichts des Bildes, das sich ihnen bot, erstarrten alle drei. Ziagál plusterte das Fell auf und fauchte. Ferin glaubte ihren Augen nicht zu trauen.
»Da liegt ein Mann«, flüsterte sie. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. »Der war vorhin noch nicht da.«
Sobenio drängte sie hinter die Überreste des Gemäuers, das den Platz begrenzte. Sie hockten sich nieder und spähten um die Ecke. Ziagál gab keinen weiteren Laut von sich. Nur sein peitschender Schwanz unterschied ihn von einer Steinskulptur und machte deutlich, dass er bereit war anzugreifen.
Der Mann lag vor dem dürren Geäst eines abgestorbenen Gestrüpps auf dem Bauch, ein Bein angewinkelt, die Arme
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