Maskenball
Augenblick steckte Viola Kaumanns ihren Kopf durch die Tür. »Kann ich dich kurz sprechen, Ecki?« Von Frank nahm sie keine Notiz.
Ecki legte den Hörer zurück. »Klar, was gibts?«
Viola Kaumanns öffnete die Tür ganz und trat ein. Auf ihrem engen und flammend roten T-Shirt waren die Umrisse von Che Guevaras Kopf zu sehen. Soweit Ecki das beurteilen konnte, denn es fiel ihm schwer, sich beim Blick auf Violas Brustbild auf die Gesichtszüge des Freiheitskämpfers zu konzentrieren.
»Einen schönen Gruß von der Leitstelle. Ihr sucht doch diesen Rentner. Er ist wieder aufgetaucht.«
»Engels, Johann Engels heißt der Mann.« Frank sah seine junge Kollegin aufmerksam an.
Viola Kaumanns schien Frank erst jetzt zu bemerken. »Tach, Herr Borsch. Wo Sie es sagen, ja, so was haben die Kollegen gesagt. Johann Engels ist gefunden worden. Vor wenigen Minuten.«
»Und wo, bitte?« Frank ärgerte sich, dass Viola Kaumanns einfach über seine Anwesenheit hinweggehen wollte. Was bildete sich die Frau ein? Bloß, weil er sie nicht sofort angehimmelt hatte, so wie Ecki, brauchte sie jetzt nicht so zickig zu sein.
»Hinterm Bett.« Sie sah Frank triumphierend an.
Eckis und Franks ungläubiges »Was?« kam zeitgleich.
»Ja, soweit ich Schiffer verstanden habe, hat dieser Rentner«, Viola Kaumanns beugte sich demonstrativ zu Frank, »also, dieser Johann Engels hat die ganze Zeit hinter seinem Bett gelegen. Fast 24 Stunden lang.«
»Und niemand hat was gemerkt. Das gibts doch gar nicht.«
»Nein, Herr Borsch, niemand hat etwas bemerkt. Johann Engels hat auch nicht gerufen. Jedenfalls nicht so laut, dass ihn jemand hätte hören können. Er ist so weit unverletzt. Nur ein bisschen unterkühlt.«
»Das gibts doch wirklich nicht. Was ist das bloß für ein Altenheim? Dass sie ihre vermissten Patienten einfach hinter dem Bett liegen lassen? Da muss doch jemand nachsehen, wenn einer verschwindet.« Frank war empört. »Schöne Zustände müssen das ja sein, in dem feinen Altenheim. Ich hoffe, die Angehörigen machen der Heimleitung gehörig Dampf.«
»Nun, Herr Borsch, sie werden sicher bis zu Ihrem Lebensende von liebenden Angehörigen gepflegt. Da bin ich mir sicher.« Der ironische Unterton in Viola Kaumanns Stimme war nicht zu überhören.
»Keine Sorge, ich komme schon zurecht. Außerdem hat das mit der Pflege noch Zeit. Viel Zeit, Frau Kollegin.«
»Wieso? Ecki hat mir erzählt, Sie gehen schon auf die fünfzig zu.«
Das saß. Frank wurde rot im Gesicht. Rot vor Ärger über diese rotzfreche Göre, die gerade erst als Beamtin übernommen worden war. Und rot, weil er wusste, dass sie recht hatte. Er stand sozusagen fast auf der Spitze des Hügels und konnte schon die andere Seite ahnen. »Keine Sorge, ich bin noch topfit. So schnell werden Sie mich nicht los.«
»Na ja, wenn Sie es sagen. Wie auch immer, Ecki, ich muss mal wieder los. Heute ist noch Seminar. Der richtige Ton, Deeskalierung im Umgang mit Verdächtigen. Sollte man auch mal für den Umgang zwischen Kollegen anbieten, finde ich. Schönen Tach noch. Ecki, man sieht sich.« Viola Kaumanns machte das Peacezeichen, als sie die Türe wieder zuzog.
»Was hat dir Viola eigentlich getan? Sie ist doch sehr nett. Ich sehe wirklich keinen Grund, sie so mies zu behandeln.« Ecki sah seinen Freund vorwurfsvoll an.
»Ich behandle sie doch gar nicht mies, Ecki. Ich kann es nur nicht leiden, wenn jemand so nassforsch daher kommt, ohne jemals wirkliche Polizeiarbeit geleistet zu haben. Diese Viola ist doch noch viel zu grün hinter ihren Ohren, als dass sie sich wie eine erfahrende Polizistin gebärden kann. Sie muss sich ihre Meriten erst noch verdienen.«
»Kann es sein, dass du Angst hast, sie könnte mal besser sein als du? Ist es das? Hast du Angst davor, als der Ältere einmal den Kürzeren zu ziehen, weil du nicht mehr so fit und belastbar bist, dir die Ideen ausgehen, die Erfolge ausbleiben, du dich engstirnig in fixe Ideen verrennst, du womöglich einsehen musst, dass deine Zeit vorbei ist?«
»Ecki, du spinnst, hör einfach auf. Nimm es einfach so: Viola Kaumanns ist einfach nicht mein Fall. Punkt, aus. Die Frau ist mir noch zu unerfahren. Das ist alles. So, und nun lass uns endlich wieder arbeiten.«
Ecki musste grinsen. »Wenn du so vehement alles abstreitest, muss ich doch den Nerv getroffen haben. Armer Frank, du wirst alt und willst dich nicht in dein Schicksal fügen. Der einsame Wolf, dem langsam das Fell ausfällt.«
»Mann, halt einfach das Maul.
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