Maskenball
Bildern von Feldges, Verhoeven, Breuer und Hecker sitzen, und entdeckte doch jedes mal eine neue Facette, eine neue Nuance ihres Leidens. Es tat ihm gut, so unendlich gut.
Hecker! Dieser Hecker! Er schreckte auf. »Ich muss mich besser in der Gewalt haben. Nur noch eine kleine Weile! Dann ist es geschafft. Ich bin frei und die Blätter können endlich fallen, auch für mich!« Er ermahnte sich. »Keine Fehler mehr! Nicht noch kurz vor dem Ziel die Konzentration verlieren!«
Zu lange hatte er auf diesen Augenblick der größten Erleichterung und Befreiung seiner Seele hingearbeitet. Zuviel Zeit war vergangen, zu viel Kraft verbraucht. Zuviel hatte er aufs Spiel gesetzt. So gut war seine Tarnung gewesen, dass selbst seine Frau nie etwas gemerkt hatte. Seine Frau. Was hatte sie schon wissen können? Sie hatte ihn nie verstanden, nie verstehen können. Kein Mensch konnte ihn verstehen. Friedrich hätte ihn verstanden. Aber Friedrich war längst tot.
* * *
»Nun stell dich nicht so an! Komm doch mit. Es wird bestimmt nett. Denk an die netten Kolleginnen. Die halbe Dienststelle ist da.« Schon seit gut einer Stunde versuchte Ecki immer wieder, Frank zum Mitkommen zu bewegen.
»Eben, ich habe keine Lust, auch noch in meiner Freizeit mit meinen Kollegen auskommen zu müssen.« Frank blieb stur. »Dann könnte ich ebenso gut Altweiber hier im Saal bleiben.«
»Aber es ist doch Karneval. Früher bist du immer mitgekommen. Mensch, Frank.« Ecki versuchte es mit seinem »sei-ein-guter-Junge-Ton«. »Komm, lass uns ein paar Bier trinken. Ein bisschen Abwechslung wird uns guttun.«
»Heute ist nicht früher. Die Zeiten haben sich geändert. Ich habe einfach keine Lust. Wir, das heißt, Lisa hat Besuch, und ich bin einfach nicht in Stimmung für Karneval. Außerdem, solltest du es schon vergessen haben, wir haben zwei Morde und einen Mordversuch aufzuklären. Da steht mir nicht der Sinn nach Karneval. Nee, lass man.« Im Keller der Staatsanwaltschaft war es bisher Altweiber immer nett und feucht-fröhlich gewesen, das schon, aber schon seit Längerem gingen Frank ausgelassene Feiern einfach auf die Nerven.
»Spaßbremse.«
»Von wegen, Spaßbremse. Hör zu, Ecki, ich habe jetzt Verantwortung. Stell dir nur mal vor, Lisa geht es nicht gut und muss zum Arzt. Und ich bin nicht da. Nein, das will ich ihr nicht zumuten.«
»Ich glaubs nicht, der Borsch wird auf seine alten Tage noch solide.« Ecki lachte meckernd, »der edle Ritter, der seiner Angebeteten nicht von der Seite weichen mag.« Ecki versuchte es ein letztes Mal. »Mensch, Frank, es ist Karnevalszeit, lass mal Dampf ab, lass deine Seele baumeln. Du verkrampfst ja völlig. Du wirst sehen, ein bisschen Abwechslung bringt dich auf andere Gedanken, danach hast du den Kopf wieder frei!«
»Is gut, jetzt.«
Ecki hatte es geahnt. Er tat beleidigt. »Dann geh ich halt alleine.«
»Tu das. Und hör auf, so beleidigt zu gucken.«
»Du wirst alt, Frank.«
»Hör auf damit. Nicht schon wieder dieses Anti-Aging-Gesülze. Das kann ich nun schon gar nicht ab.« Statt sich weiter mit Ecki zu streiten, wählte Frank Heinz-Jürgen Schrievers Durchwahl. »Hi, Heinz-Jürgen, ich bins, Frank. Sag mal, kannst du mir aus deinen Unterlagen Listen zusammenstellen mit den in Mönchengladbach und im Kreis Viersen registrierten Todesfällen der vergangenen fünf Jahre?« Frank horchte einen Augenblick in den Hörer. »Na ja, dann nimm Krefeld dazu. Ja, das reicht vorerst. Ciao.« Frank legte zufrieden den Hörer zurück auf den Apparat.
»Kannst du mir bitte mal verraten, was du vorhast?«
»Das ist ganz einfach, ich bin darauf gekommen, als ich in unserer Ausschnittsammlung einen Artikel über den Fall in Dresden gefunden habe.«
Frank schlug einen dünnen Schnellhefter auf und schob ihn Ecki zu.
Patienten-Mord: Weitere Obduktionen
Dresden (dpa). Nach der Festnahme einer Krankenschwester aus Dresden in Sachsen sind die Leichen von vier ehemaligen Patienten obduziert worden. Die 48-Jährige sitzt seit Anfang Februar wegen Totschlagverdachts in Untersuchungshaft. Sie hatte zugegeben, mehreren Schwerkranken eine Überdosis gegeben zu haben. Die Obduktionsergebnisse lägen den Ermittlern aber noch nicht vor, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden gestern.
»Ja, und? Was soll das mit unserem Fall zu tun haben?« Ecki sah Frank verständnislos an.
»Kann doch sein, dass Verhoeven, Breuer und vielleicht auch Hecker nicht die einzigen Opfer sind, die noch bis kurz vor ihrem
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