Maskenball
Köhlers Gesicht war stumpf und grau geworden. Seine Augen hielt er starr auf seinen Schoß gerichtet. Seine Arme hingen schlaff an seinem Körper. Er wirkte wie jemand, der sich nach langem Kampf endlich in sein Schicksal ergeben hatte.
Frank hielt ihm einen Becher mit dampfendem Kaffee hin. »Sagt Ihnen der Namen Engels etwas. Johann Engels?«
Köhler zog die Stirn in Falten. Mit einer langsamen Bewegung nahm er den heißen Becher in die Hand. Er schien den Schmerz an seinen Fingern nicht zu spüren. »Engels? Nein. Wer soll das sein?«
»Ein Patient von Ihnen?« Frank setzte sich wieder.
»Ein Patient?« Köhler dachte nach. »Johann Engels, sagten Sie? Ein Patient? Nein, den Namen kenne ich nicht. Wann soll der Mann bei mir in der Klinik gewesen sein? Was fehlt ihm denn?«
»Engels ist verschwunden. Schon seit fast 24 Stunden. Niemand hat gesehen, wie er das Haus verlassen hat. Bislang haben wir keine Spur von ihm, trotz intensiver Suche.«
»Ich sage es Ihnen noch einmal, ich kenne Ihren Johann Engels nicht. Nie gehört, den Namen.«
»Und was sagt Ihnen der Name CombinoMed?« Ecki fixierte Köhler mit prüfendem Blick.
»CombinoMed? Wie meinen Sie das?«
An Köhler war ein Schauspieler verloren gegangen, das war für Ecki sonnenklar. »CombinoMed International, Mailand und Berlin, um genau zu sein, Herr Köhler.«
»CombinoMed. Ach so, ja. Diese Firma.«
»Ich habe den Verdacht, dass Sie uns an der Nase herumführen wollen. Halten Sie uns nicht für dumm. In welchem Verhältnis stehen Sie zu dem Pharmaunternehmen, Herr Köhler? Und bitte, ein bisschen konkreter, wenn es denn geht.«
Dr. Helmut Köhler strich sich wieder über seine unrasierten Wangen und sein unrasiertes Kinn. Dann trank er mehrere Schlucke von seinem Kaffee. »Das ist eigentlich ganz einfach und schnell erklärt, Herr Hauptkommissar. Ich nehme mit anderen Kollegen aus Deutschland an einer ausgedehnten Feldstudie teil. Wir, das heißt, ich und eine ganze Reihe renommierter Forscher von deutschen Universitäten, haben uns zum Ziel gesetzt, den Zusammenhang zwischen Klinikaufenthalt und der Selbstwahrnehmung von Patienten zu klären.« Dr. Helmut Köhler klang so, als halte er einen medizinischen Vortrag. »Wir wollen also herausfinden, ob und inwieweit sich der Zustand von zum Beispiel dementen Patienten durch den Aufenthalt in einer Fachklinik signifikant und vor allem dauerhaft ändert oder durch gezielte Maßnahmen und Eingriffe in diese Struktur, verändern lässt. Sie müssen wissen, eine Klinik wie die Hardterwald-Klinik, ist ein hochkomplizierter Apparat, der auf den noch hochkomplizierteren ›Apparat‹ Mensch trifft. Anders gesagt: Wie müssen zum Beispiel die Arbeits- und Therapieabläufe in einer Klinik aufeinander abgestimmt sein, um das Verhalten und mithin das Krankheitsbild eines Patienten mit einer altersspezifischen Erkrankung, in wie auch immer gearteter Weise, zu beeinflussen. Grundlagenforschung. Und äußerst wichtig.«
»Können Sie das auch so erklären, dass Normalsterbliche ein Wort verstehen?« Ecki hatte es aufgegeben, mitzuschreiben. »Das mit den Arbeitsabläufen, das ist doch bestimmt schon erforscht, oder?«
»Wenn Sie so wollen, ja. Andererseits, auf dem Gebiet der Geriatrie stehen wir in vielen Bereichen immer noch am Anfang der Forschung.« Helmut Köhler stellte seinen Kaffeebecher auf den Schreibtisch.
»Und warum betreiben Sie diese Forschungen ausgerechnet mit CombinoMed und ausgerechnet an der Hardterwald-Klinik, Herr Köhler?«
»Nun, die Hardterwald-Klinik ist eine der ersten Kliniken in Deutschland, die schon früh erkannt hat, dass Patienten mit altersspezifischen Erkrankungen eine gesonderte Betreuung und Therapie brauchen. Wir haben zum Beispiel in den 80er Jahren die ersten Therapeuten extra aus der Schweiz holen müssen, weil es bei uns in Deutschland so etwas wie eine spezielle Ergotherapie für alte Menschen noch nicht gab. Und Combino-Med ist ein weltweit operierendes Unternehmen, das führend auf dem Gebiet der Geriatrie ist. Das hat übrigens auch das Bundesgesundheitsministerium erkannt und unser Projekt, dass in Zusammenarbeit mit den Italienern durchgeführt wird, mit Forschungsgeldern ausgestattet. Auch die zuständige EU-Kommission hat die Bedeutung der Forschung erkannt. Wir stehen kurz vor der Veröffentlichung erster Ergebnisse. Das war auch der Grund, warum ich dringend einige wichtige Unterlagen gebraucht habe.« Köhler sah offen in die angestrengten Gesichter der
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