Maskenball
darum gebeten, zurückrufen zu können. Er hatte sich auch tatsächlich kurz darauf im Präsidium gemeldet und Astrid Köhlers Angaben bestätigt. Auch er hatte Sorge, dass sein Ruf auf dem Spiel stehen würde, wenn die Affäre bekannt würde. Schließlich, hatte er mehrfach betont, sei er im Vorstand des Lobbericher Tourismus- und Heimatvereins, und außerdem wollte er seine Aussichten auf ein Mandat im Nettetaler Stadtrat nicht unnötig gefährden.
Er habe zwar ein Verhältnis mit Astrid Köhler, aber das gehe niemanden etwas an, und mit Mord wollte er nun schon gar nicht in Verbindung gebracht werden. Ecki hatte dann doch unmissverständlich klar gemacht, dass Christian Faber für ein weiteres Gespräch zu ihnen in die Dienststelle kommen musste.
Frank hatte nach dem Telefonat mehrfach versucht, in Duisburg den diensthabenden Oberarzt zu erreichen, um sich nach dem Gesundheitszustand von Hecker zu erkundigen, wurde aber immer wieder auf später vertröstet. In der Klinik herrschte derzeit Hochbetrieb. Derweil hatte Ecki damit begonnen, die Unordnung auf seinem Schreibtisch zu beseitigen und auf seinem PC eine Notiz über die Aussage von Astrid Köhler zu schreiben.
Frank warf fluchend den Hörer auf den Apparat. »Das gibts doch gar nicht. Jetzt ist der Anschluss von diesem Doc dauernd besetzt.«
»Mann, entspann dich. Mach dir einen Tee, der Rest findet sich schon. Oder soll ich dir einen aufbrühen?«
»Bitte verschone mich mit deinem esoterischen Geschwafel. Sag mir lieber, wo die Kaumanns mit ihren weiteren Berichten bleibt. Oder ist sie schon mit Bean im Karneval unterwegs?«
»Bist wohl neidisch, was? Nee, soviel ich weiß, haben sie die Listen schon weitgehend durchgearbeitet und sind gerade dabei, die einzelnen Namen und Übereinstimmungen abzuarbeiten. Das kann aber noch eine ganze Weile dauern, bis ihr Abschlussbericht vorliegt.«
»Das dauert mir zu lange. Die Zeit haben wir nicht. Wir suchen schon viel zu lange nach dem Täter. Ich weiß nicht, vielleicht hätten wir Köhler unter Beobachtung halten sollen. Mir ist er immer noch nicht ganz geheuer. Ich wünschte, wir hätten auch schon mit Verhoevens Sohn sprechen können. Mir geht nicht aus dem Kopf, was seine Schwester uns über ihn erzählt hat. Das muss ein wahrhaft merkwürdiger Mensch sein. Aber kann er auch Täter sein?«
»Wer weiß schon, was zwischen ihm und seinem Vater passiert ist. Ich stimme dir zu, so ganz normal ist seine Jugend und seine Entwicklung nicht verlaufen. Du weißt doch auch, dass es manchmal nur einen kleinen, für sich gesehen unbedeutenden Anlass braucht, um Menschen ihre Grenzen und Hemmungen überschreiten zu lassen. Zumal bei einem Charakter, wie ihn Hiltrud Claassen uns beschrieben hat.«
XXI.
Ramona Erbskorn verlagerte ihr Gewicht von einer Gesäßhälfte auf die andere. Noch zwei Stunden bis zur Ablösung, und der schmale Stuhl mit der Sitzschale aus Hartplastik wurde zunehmend unbequemer. Gelangweilt blätterte die junge Kommissarin in einem zerlesenen Spiegel, den sie sich in der Wartezone der Station aus dem Stapel Zeitschriften gezogen hatte, der auf einem kleinen Ecktisch lag. Das Nachrichtenmagazin war schon die vierte Illustrierte in zwei Stunden.
Noch zwei Stunden, und ihre Ablösung würde endlich kommen. Und Arne. Er wollte sie vom Krankenhaus abholen, das hatte er ihr eben erst noch einmal mit vielen Liebesschwüren per SMS mitgeteilt.
Ramona Erbskorn, die während der ganzen Zeit vor dem Zimmer von Johannes Paul Hecker ihre Dienstmütze trug, schwitzte in ihrem dicken grünen Pullover. Das kannte sie sonst gar nicht, aber die Luft auf dem Krankenhausflur war stickig und roch nach Desinfektionsmittel. Sie konnte spüren, wie ein kleiner Schweißtropfen nach dem anderen ihren durchtrainierten Rücken entlang lief. Der Auftrag, den sie am Morgen nach der Dienstbesprechung entgegen genommen hatte, schien zunächst völlig easy zu ein: Ablösen und auf einen Rentner aus Nettetal aufpassen, der mit schweren Verbrennungen eingeliefert worden war. Aber das, was sie in den vergangenen Stunden an Langeweile und Krankenhausmief hatte ertragen müssen, war der berühmte »Griff ins Klo«.
Warum der bedauernswerte Alte bewacht werden musste, wusste Ramona Erbskorn nicht genau. Angeblich soll es ein Anschlag gewesen sein. Wie auch immer – Hauptsache, sie wurde bald abgelöst. Sie nahm sich vor, am Abend mit Arne noch eine Extraschicht im Fitnesscenter einzulegen. Nach diesem langweiligen Job musste sie
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