Maskenball
sollten ihn mal sehen. Wie ein Schlachtross wirbelt er in seinem Büro hin und her, reißt Aktenschränke auf und stößt sie wieder zu, blättert in Aktenordnern, telefoniert wie wild. Dabei hat er einen hochroten Kopf, seine Strickjacke hängt schief auf seinem Bauch, und seine Brille hat er auf seinen breiten Schädel geschoben. Es braucht nur noch ein bisschen, und die Bügel brechen durch.« Viola Kaumanns kicherte.
»Was gibts noch?«
»Haben Sie schon mal ein Schlachtross in Pantoffeln gesehen?«
Auch Frank musste bei dem Gedanken grinsen. »Nochmals, danke. Ich fahre jetzt nach Lobberich.«
Frank ließ sich Feldges Anschrift geben und legte auf. Hastig zahlte er bei der völlig verdatterten Kellnerin seinen Milchkaffee und verließ ohne weitere Umstände das Café. Ihr »Einen schönen Tag noch, und bis bald« hörte er schon nicht mehr.
Der Hof von Wilhelm Feldges lag abseits der Hauptstraße. Frank näherte sich dem Anwesen über eine lang gezogene baumbestandene Zufahrt, die für die Besitzer des Bauernhofs den Vorteil hatte, dass Besucher, gebetene oder ungebetene, schon von Weitem zu sehen waren.
Als Frank den Wagen abschloss, hörte er in der Ferne einen Hund anschlagen. Zu sehen war niemand. Er ging durch das große offene Tor auf den gepflasterten Innenhof. Die Wände der Wirtschaftsgebäude waren einmal weiß gewesen. Durch die Jahre und die Arbeit auf dem Hof war die Farbe grau geworden. Die Blumenkästen auf den Fensterbrettern waren so leer wie die Scheune, in die Frank einen Blick werfen konnte. An einer Hauswand lehnte ein altes Damenfahrrad. Die Tür zum Wohnhaus stand offen. Es musste also jemand zu Hause sein.
»Hallo?« Frank ging langsam auf die offene Tür zu.
Eine grau melierte Katze hetzte plötzlich wie aus dem Nichts aus der Scheune an ihm vorbei die rostige Eisentreppe hinauf, die neben dem grünen Tor in die offene erste Etage des Torhauses führte.
»Hallo, ist jemand zu Hause?« Frank blieb vor der Tür stehen.
»Was wollen Sie auf meinem Hof?«
Die laute, schneidende Frage ließ Frank auf dem Absatz herumfahren. Eine Frau in blauer Latzhose, dickem Pullover und Gummistiefeln stand vor ihm. Sie musste aus dem kleinen Stall hinter ihm gekommen sein. Die Frau sah aus wie eine Bäuerin, die gerade vom Melken kam. Ihre Haare hatte sie unter ein geblümtes Tuch gesteckt, das eng an ihrem Kopf anlag. Frank schätzte die Frau auf Mitte vierzig. Sie hatte ein hübsches Gesicht, mit hoch stehenden Wangenknochen, dunklen Augen und ebenmäßig geschwungenen Lippen. Neben ihren Mundwinkeln hatte sie kleine Grübchen. Eine selbstbewusste Frau, fand Frank.
»Wenn Sie ein Vertreter sind, können Sie gleich wieder gehen. Ich brauche nichts.« Angriffslustig stemmte sie einen Arm in ihre schmalen Hüften.
»Nein, nein, ich bin kein Vertreter, ich bin Polizeibeamter.« Er hielt ihr seinen Ausweis entgegen.
Sie achtete nicht auf den Ausweis, sondern hatte Frank weiter fest im Blick. »Und, was wollen Sie von mir? Habe ich irgendwo falsch geparkt?« In ihren Augen steckte trotz ihres schroffen Auftretens ein sympathisches Lächeln. »Ich dachte, die Knöllchen werden automatisch verschickt. Kommen die Sachbearbeiter doch lieber selbst?«
Frank sah sie etwas verlegen an. Auf Humor war er nach dieser heftigen Ansprache nicht gefasst gewesen. »Nein. Von einem Strafzettel weiß ich nichts. Ich bin aus einem anderen Grund hier. Es … , es geht um Ihren Vater. Ich habe ein paar Fragen an Sie. Sie sind doch die Tochter von Wilhelm Feldges, oder?«
Ohne ein äußeres Zeichen der Regung zu zeigen, ging die Frau voran. »Kommen Sie, ich mach uns einen Kaffee.« Sie wartete nicht auf Frank.
»Sie kommen auch nicht oft an die frische Luft, oder?« Marlene Thürlings, geborene Feldges, hatte die beiden dampfenden Kaffeebecher auf den Küchentisch gestellt und dabei einen der einfachen Stühle zu sich gezogen. »Wenn Sie nichts dagegen haben, bleiben wir in der Küche. Hier bin ich meinem Vater am nächsten. Wir haben früher viel in der Küche gesessen. Unser ganzes Leben hat sich praktisch hier abgespielt. Wir haben hier gegessen, ich habe hier Schulaufgaben gemacht, unter dem Tisch gespielt oder meiner Mutter beim Bügeln zugesehen. Dieser Raum war einmal so etwas wie der Mittelpunkt meines Lebens.«
»Sie müssen sich hier sehr wohl gefühlt haben, als Kind.« Frank rührte bedächtig in seinem Kaffee und sah Marlene Thürlings lächelnd an.
»Na ja, mit dem zeitlichen Abstand mag das ja
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