Maskenball
durchaus so erscheinen. Mein Vater war sehr streng, müssen Sie wissen. Er konnte manchmal auch sehr ungerecht sein. Aber er hatte auch seine netten Seiten. Ich habe als Kind nicht viel von ihm gehabt, er war ja meist auf dem Feld oder in den Ställen. Wenn er abends ins Haus kam, war ich meist schon auf dem Weg ins Bett.«
»Sie haben den Hof nach dem Tod Ihres Vaters übernommen?« Frank sah sich in der Küche um. Sie sah abgewohnt aus. Die billigen Küchenmöbel hatten ihre beste Zeit längst hinter sich.
»Nicht wirklich. Der Hof wird ja nicht mehr bewirtschaftet. Die Felder sind verpachtet. Ich wohne mit meinem Mann im Sassenfeld. Ich habe in der letzten Zeit meinem Vater das Essen gebracht und die Wäsche gemacht.«
»Was werden Sie jetzt tun? Werden Sie auf den Hof ziehen?«
Marlene Thürlings zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Was soll ich hier? Mein Mann will nicht aus unserem Haus raus. Und«, sie deutete vage in den Raum, »das ist hier doch alles viel zu groß für uns. Mein Vater hätte längst verkaufen sollen. Nun verfallen die Gebäude zusehends, und ich habe nicht das Geld, um das Anwesen zu erhalten. Die Kosten laufen mir davon. Wozu das Ganze also?«
»Die Wohnlage ist doch genial. Niemand kann Ihnen den Ausblick verbauen. Sie wohnen direkt im Grünen, niemand stört Sie. Also, ich könnte ganz neidisch werden.«
»Wenn Sie wollen, dann können Sie das Ganze haben.«
»Wollen würde ich schon, aber das Gehalt eines Kriminalhauptkommissars reicht nicht ganz, fürchte ich.«
»Weiß ich nicht.«
»Machen Sie doch ein Bauerncafé auf, auf so was stehen die Städter im Moment doch total.«
»Ja, ich weiß. Das Bauerncafé in Kaldenkirchen, meinen Sie? Da ist am Wochenende in der Tat jede Menge Betrieb. Zu viel für mich, wenn Sie mich fragen. Aber Sie sagen es, die Städter mögen das.«
»Das Anwesen würde sich doch gut dazu eignen.«
»Nee, danke. Ich habe kein Händchen für den Umgang mit hungrigen Ausflüglern.« Marlene Thürlings sah ihm direkt in die Augen. »Sie sind aber nicht gekommen, um mit mir über Bauerncafés zu reden, oder? Sie sagten, es geht um meinen Vater? Warum?«
»Ihr Vater ist auf einer Karnevalssitzung gestorben. An Herzversagen. Hatte Ihr Vater denn ein schwaches Herz?«
Marlene Thürlings seufzte und blickte in ihren Kaffeebecher. »Nein, ein wirklich schwaches Herz hatte er nicht. Sein Tod kam doch überraschend für uns. Er war ein alter Mann, ja, und hatte sich sicher kaputt gearbeitet, aber er hatte eine vergleichsweise kräftige Natur. Grantig war er oft, und auch ungerecht, wenn ihm etwas nicht passte. Aber er war nicht ernsthaft krank, nein.«
»Hat das den Notarzt nicht stutzig gemacht?«
»Wieso sollte ihn das stutzig gemacht haben? Nein, Vater hatte das Alter erreicht, in dem der Tod jederzeit kommen kann. Er hat sein Leben gelebt, wie die Leute hier so sagen. Nein, es gab für uns keinen Anlass, uns Gedanken zu machen.«
»War Ihr Vater in den vergangenen Jahren vielleicht einmal als Patient in der Hardterwald-Klinik?«
Marlene Thürlings sah ihn verwundert an. »Hardterwald-Klinik? Wo soll das sein?«
»Das ist eine Fachklinik für Geriatrie in Mönchengladbach.«
»Wie gesagt, mein Vater war nicht krank. Er hatte seine Wehwehchen, aber das ist in so einem Alter wohl normal.«
Frank überlegte kurz. »Also nichts Auffälliges?«
»Eigentlich nichts, nein, bis auf … , ich weiß nicht …« Marlene Thürlings sah Frank unsicher an. »Mein Vater hat in den letzten Tagen vor seinem Tod von regelrechten Angstzuständen und Albträumen berichtet. Aber das muss ja nichts bedeuten.«
»Angstzustände?«
»So ganz habe ich nicht zugehört, ehrlich gesagt. Ich habe das als Spinnerei und Übertreibung abgehakt. Dass mein Vater nun doch langsam etwas merkwürdig wird. Wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Frank hakte nach. »Was hat er Ihnen genau erzählt? Können Sie sich erinnern?«
»Wie gesagt, ich habe nur mit einem Ohr zugehört.« Sie überlegte kurz. »Er hat mir von einem merkwürdigen Klopfen erzählt. Immer abends und immer an das Wohnzimmerfenster. Und wenn er nachgesehen hatte, habe es geblitzt.«
»Geblitzt?«
»Ja, als hätte jemand durch das Fenster ein Foto von ihm gemacht.«
»Eine seltsame Geschichte. Kann man sich so etwas ausdenken?«
»Fragen Sie mich nicht. Mein Vater hat jedenfalls Angst gehabt. Und er war wirklich kein ängstlicher Mensch.«
»Was ist weiter passiert?«
»Nichts. Nur, mein Vater war zum
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