Maskenball
Treppenaufgang hing an der Wand ein großer Bildschirm, auf dem gerade stumm Werbung für Klingeltöne lief. Auch hier oben waren alle Tische mit Frühstücksgästen besetzt. Frank konnte sehen, dass die meisten das auf einer Tafel mit Kreide angepriesene üppige »Schlemmerfrühstück« bestellt hatten.
Der Lokalredakteur der Rheinischen Post wartete in einem Sessel an der Stirnseite des Raums auf ihn. Die Wand war wie ein Erker über die ganze Breite verglast. Bert Becks hatte einen Milchkaffee vor sich auf dem niedrigen Couchtisch stehen und machte eine einladende Handbewegung. »Setz dich. Von hier aus hast du einen perfekten Blick auf alle Bösewichte dieser Stadt.« Bert Becks grinste Frank an. Dabei funkelten seine dunklen Augen fröhlich und sein Gesicht legte sich noch mehr als sonst in gutmütige Meckifalten. »Die Aussicht ist wirklich genial, ehrlich. Zum ›Leute gucken‹ ist die Sesselecke prima. Nur, zum Frühstücken setzt man sich besser an einen der Tische. Der hier«, er deutete auf den Couchtisch, »ist mir dafür einfach zu niedrig. Da muss ich zu sehr meinen Bauch einquetschen beim Runterbeugen.«
»Wie wärs mit Sport statt Essen?« Frank gab Becks die Hand und zog sich beim Hinsetzen seine Lederjacke aus, die er auf den noch freien Sessel neben sich legte.
»Sport? Willst du mich umbringen? In meinem Alter sucht man sich die ungefährlichen Freizeitbetätigungen aus. Fußball gucken, zum Beispiel. Kaffee trinken. Oder Musik machen.«
Frank musste grinsen. Bert Becks hatte auch diesmal wieder ein kariertes Flanellhemd an, das er nachlässig in seine Jeans gesteckt hatte. Eine Jacke oder einen Pullover suchte man bei Bert Becks vergebens. Der Mann musste über ein unglaubliches inneres Feuer verfügen, denn auch im tiefsten Winter trat er meist hemdsärmelig auf.
»Hast du etwas dagegen, wenn ich eine rauche?« Becks deutete auf die Schachtel Marlboro und das Feuerzeug, die vor ihm lagen.
Frank hob die Hände. »Ich kann dich ja doch nicht vor dem sicheren Tod bewahren.« Er drehte sich zu der schwarz gekleideten jungen Kellnerin um, die gerade an einem der Nebentische kassiert hatte und ihn mit einem vollen Tablett in den Händen erwartungsvoll ansah, und bestellte einen Milchkaffee. Dann sah er Bert Becks an. »Was kann ich für dich tun?« Dafür, dass das Valentino voll besetzt war, war der Geräuschpegel angenehm niedrig.
»Ich will mich nicht mit langen Reden aufhalten, Frank. Sag mir einfach, wie weit ihr mit den Ermittlungen in Brüggen und in der Hardterwald-Klinik seid. Du leitest doch die Ermittlungen, oder?« Becks hatte sich eine Zigarette zwischen die Lippen gesteckt und ließ beim »oder« das Feuerzeug aufflammen.
»Ja, ich leite die Ermittlungen. Und viel mehr gibt es dazu auch nicht zu sagen. Im Moment jedenfalls nicht.« Frank ließ seinen Blick über die belebte Hindenburgstraße schweifen und blieb dann an einer Frau im langen Kamelhaarmantel und einem federbesetzten Trachtenhut hängen, die am Theaterplatz die Stufen hinabstieg, um dann an dem Friseurladen und Juwelier vorbei im Café Heinemann zu verschwinden.
»Das kann nicht dein Ernst sein. Ein bisschen mehr wirst du mir doch erzählen können, oder?« Bert Becks zog sichtlich ungeduldig an seiner Marlboro. »Spiel jetzt nicht Cop verarscht Schreiberling mit mir. Dazu bin ich schon zu alt, und außerdem kennen wir uns dafür einfach schon zu lange, Frank Borsch.«
Frank seufzte und nahm dankbar den Kaffee entgegen, den ihm die freundliche Bedienung reichte. »Nein, Bert, du weißt, dass ich immer ehrlich mit dir bin. Soweit ich das bei meinen Ermittlungen kann. Aber diesmal ist das alles noch schwerer. Ich erzähle dir ein paar Sachen, die du aber für dich behalten musst. Vorläufig. Kann ich mich darauf verlassen?«
Der Lokalreporter nickte stumm und kniff ein Auge zusammen, als ihm der Rauch seiner Zigarette in die Augen zog.
»Also, es scheint so, dass es zwischen den beiden Morden in der HWK und in Brüggen einen Zusammenhang gibt. Nur, welchen, das wissen wir noch nicht. Der eine Mann wurde erschossen, der andere aufgeschlitzt. Aber das weißt du ja sicher schon.«
»Na, eure Pressekonferenz war nicht eben erhellend. Böllmann hat ja nun wirklich nur ganz wenig rausgelassen. Selbst im Vieraugengespräch war nicht mehr drin.«
Frank überlegte, ob er dem Reporter von Köhler erzählen sollte. Er wollte vorsichtig sein. »Wenn du mir versprichst, dass du nicht auf eigene Faust Ermittlungen anstellst,
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