Maskenball
Hardterwald-Klinik musste noch einmal vernommen werden. Vielleicht ergaben sich weitere Hinweise auf den Verbleib Köhlers und der möglichen Versuche mit Medikamenten. Die Frage war auch, nach welchen Medikamenten sie suchen sollten. Aber das musste sich aus den Patientenunterlagen ergeben. Sie würden mit Pharmafirmen sprechen müssen, die Präparate für Senioren herstellten.
Frank wollte sich zudem noch ausführlich mit Chefarzt Hübgens beschäftigen. Hübgens schien nicht ehrlich zu ihnen zu sein. Vielleicht hatte er ja selbst vor seiner Zeit an der HWK an Medikamenten geforscht. Möglicherweise tauchte auch noch eine Verbindung der Ärzte zu Pharmafirmen auf. Medizin ist ein Milliardengeschäft, dachte Frank. Und Geld macht skrupellos.
Frank rührte gedankenverloren in der leeren Tasse. Er durfte jetzt nur nicht sein Ziel und seine Aufgabe aus den Augen verlieren. Lisa und das Kind hin oder her. Die Sorge um eine neue Wohnung, der Verkauf des Cabrios, die Geburt, die Hochzeit türmten sich vor ihm auf einmal auf wie ein schier unüberwindliches Hindernis. Einfach immer nur einen Schritt vor den anderen setzen, ermutigte er sich, dann werde ich das schon schaffen.
Er sah sich nach der Kellnerin um, die die ganze Zeit treppauf, treppab mit den schweren Tabletts unterwegs war, konnte sie aber nirgends entdecken. Frank stand auf und zog sich seine Jacke über. Er würde halt unten an der Theke bezahlen. Er warf einen letzten Blick durch das breite Panoramafenster. Draußen fiel leichter Regen.
Als Frank ins Büro kam, traf ihn fast der Schlag. Auf seinem Schreibtisch thronte ein überdimensionaler Teddybär mit Schlägerkappe aus rotem Cord und kariertem Halstuch. Ecki war nirgends zu sehen. Stattdessen fand er neben dem Plüschmonster einen Zettel: »Bin zum Zahnarzt«. Frank begutachtete den Teddy gerade von allen Seiten und wunderte sich über die Herkunft des stummen Tieres mit den großen Knopfaugen, als es zaghaft klopfte und eine Frau vorsichtig die Tür aufmachte. »Guten Tag, Herr Borsch. Kann ich Sie einen Augenblick sprechen?« Sie sah neugierig auf den Teddy, der mit seiner stattlichen Statur fast den ganzen Schreibtisch in Beschlag nahm. »Oder soll ich lieber etwas später wiederkommen?«
»Nein, nein. Ist schon recht.« Frank geriet ins Stottern. Ihm war die Anwesenheit eines unbekannten Plüsch-Teddys im Dienstzimmer eines Kriminalhauptkommissars des KK 11 äußerst peinlich. »Nein, wirklich. Bitte, setzen Sie sich. Warten Sie.« Frank versuchte, seiner Besucherin einen Stuhl frei zu machen, auf dem ein Aktenstapel lag. Dabei nahm er ein bisschen zu viel Schwung. Fast wäre er mit den Ordnern im Laufstall gelandet, an dem er sich auf seinem Weg zum Schreibtisch den Oberschenkel stieß. Im letzten Moment fand er seine Balance wieder. »Sie müssen schon entschuldigen, die Kollegen, müssen Sie wissen …« Er brachte seinen Satz nicht zu Ende. Denn als er sich setzte, versperrte ihm der Teddy den Blick auf die Frau, die vor seinem Schreibtisch Platz genommen hatte. Er sah an dem Plüschfell vorbei. »Oh, entschuldigen Sie.«
Mit einem kräftigen Ruck zog er den Teddy hoch, um ihn elegant und lässig in den Laufstall zu befordern. Allerdings hatte er bei der ausholenden Bewegung die Schreibtischlampe übersehen, die in diesem Augenblick zu einem schier unüberwindlichen Hindernis wurde. Der Teddy blieb an dem Gestänge der Klemmleuchte hängen und wurde durch die dadurch ausgelöste Änderung der Flugbahn zu einem unheilvollen Geschoss, das Frank am Kopf traf. Er kam sich ziemlich dämlich vor. Ausgerechnet jetzt musste diese Frau auftauchen, von der er noch nicht einmal den Namen wusste, geschweige denn, was sie von ihm wollte. Mit einem entschlossenen Polizeigriff befreite er sich endlich von dem Spielzeug und warf es in den Laufstall, wo der Teddy unschön auf dem Rücken landete.
»Sieht irgendwie beleidigt aus.« Die Frau musste lachen.
»Wer, was? Ach so, der Teddy, ja. Ich weiß auch nicht, wie der hierher kommt. Muss einer der Kollegen gebracht haben.« Frank fuhr sich mit beiden Händen durch seine Locken. Echt peinliche Vorstellung, Borsch, dachte er. Und: Na warte, Schrievers. Wer anders als Schrievers konnte ihm das angetan haben.
»Sammeln Sie Spielzeug?«
»Wer, ich? Nein, nein. Das sieht nur so aus.« Frank fühlte sich nun vollends als Idiot. »Das ist nur, weil, … meine Kollegen, … ich werde Vater. Und nun meinen meine Kollegen offenbar, sie müssten mich schon mal
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