Maskenball
Sie, ich meine, sind Sie, äh, wie lange arbeiten Sie schon in der Hardterwald-Klinik, wenn ich fragen darf?«
Yvonne Schümers überlegte und zog dabei unbewusst ihre Nase ein wenig kraus.
Wo Ecki nur bleibt, dachte Frank. Diese Frau macht mich noch wahnsinnig.
»In diesem Sommer müssen es schon acht Jahre sein. Ich habe direkt nach meiner Ausbildung in der HWK angefangen.« Sie lächelte ihr umwerfendes Lächeln.
»Oh, dann waren Sie damals ja noch jung.« Frank biss sich auf die Lippen. Das war falsch, Borsch, ganz falsch, dachte er. »Nein, ich meine, Sie haben trotz Ihres Alters ja schon eine Menge Berufserfahrung.« Puh, das war knapp. Der Bogen war nicht leicht zu nehmen gewesen.
»Worauf wollen Sie hinaus, Herr Kommissar?« Yvonne Schümers lächelte ihn an. Sie hatte offenbar Spaß daran, ihn zu verunsichern.
»Also, ich frage mich, wie so eine hübsche junge Frau so einen Beruf ergreifen kann? Den ganzen Tag nur mit alten kranken Menschen zusammen sein.« Frank wollte nicht weiterreden.
»Was hat das mit meinem Alter zu tun? Alte Menschen sind genauso wertvolle Menschen wie Sie oder auch Ihre Kriminellen. Jeder Mensch hat ein Recht auf eine würdevolle Behandlung. Niemand möchte sich gerne abgeschoben fühlen, auch Sie nicht, Herr Borsch.« Sie sah ihn auffordernd an.
Das saß, natürlich war es so. Wie konnte er nur auf diese dumme Idee kommen, dass hübsche junge Frauen keine alten Menschen pflegen dürfen? »Natürlich, verzeihen Sie mein dummes Geschwätz.«
Sie stand auf. »Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich Ihnen sagen wollte. Einen schönen Tag noch, Herr Kommissar.«
Frank war aufgesprungen, um sie zur Tür zu begleiten. »Vielen Dank für Ihren Besuch. Sie haben uns sehr geholfen, Frau Schümers.«
Yvonne Schümers drehte sich noch einmal um. »Ich weiß nicht, hoffentlich habe ich mir nicht selbst geschadet.«
»Keine Sorge, das bleibt unter uns. Das verspreche ich Ihnen.« Frank verkniff sich die Frage nach einem Wiedersehen. Stattdessen schloss er leise die Bürotür hinter ihr. Er blieb stehen und lehnte sich mit dem Rücken an die Glasfront. Er war völlig durcheinander. So etwas war ihm schon lange nicht mehr passiert. Er dachte an Lisa und fühlte sich schuldig. Dabei war ja, nüchtern betrachtet, gar nichts passiert. Eigentlich. Nur, dass er bei ihrem Anblick ein bisschen nervös geworden war.
Frank ging zu seinem Schreibtisch zurück. Yvonne Schümers hatte ihnen einen wichtigen Hinweis gegeben. Diese Firma CombinoMed. Frank hatte von dem Unternehmen noch nie etwas gehört. Aber er kannte sich in medizinischen Dingen sowieso nicht aus.
CombinoMed. Frank musste unbedingt herausfinden, was hinter diesem Namen steckte. Vielleicht war Köhler tatsächlich in eine Sache verstrickt, die ihm möglicherweise über den Kopf gewachsen war. Frank sah den Teddy an, der immer noch wie ein Käfer hilflos auf dem Rücken lag. Frank fühlte sich ähnlich.
Warum war Yvonne Schümers zu ihm gekommen? Naiv war sie sicher nicht. Sie musste doch wissen, was sie durch ihren Besuch auslösen würde. Wollte sie Helmut Köhler bewusst anschwärzen? Hatte sie noch eine Rechnung mit ihm offen? Frank fiel ein, dass er noch immer nicht viel von den Interna der Klinik wusste. Und das hatte nur bedingt mit ärztlicher Schweigepflicht zu tun. Sie hatten sich einfach noch nicht intensiv genug mit der Klinik beschäftigt. Hatte jemand Yvonne Schümers geschickt? Nein, dachte Frank. Sie war sicher aus eigenem Antrieb zu ihm gekommen, aus Pflichtbewusstsein.
Dieser Dr. Köhler wurde Frank immer suspekter. Seine Frau wusste angeblich nichts über seinen Verbleib. In der Klinik galt er einerseits als gewissenhafter Arzt – andererseits könnte er auch eine dunkle Seite haben, von der viele etwas ahnten, aber nichts konkret wussten. Oder wissen wollten. Zum Beispiel Fritz Theodor Hübgens: Der Chefarzt wusste sicher mehr, als er preisgeben wollte. Frank war sich sicher, der Schlüssel zur Lösung des Falls lag in der Hardterwald-Klinik.
Er betrachtete wieder den hilflosen Teddy. Welche Möglichkeiten hatte man schon groß, wenn man in ein Krankenhaus eingeliefert wurde? Als Patient war man dem Wohl und Wehe der Ärzte und der Pfleger ausgeliefert. Es gab nur die Hoffnung, dass die Mediziner die richtige Diagnose stellen und die richtige Therapie einleiten. Man musste den Ärzten zwangsläufig vertrauen, ohne selbst handeln zu können. Aber was war, wenn jemand dieses Vertrauen missbrauchte – für seine
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