MASKENBALL UM MITTERNACHT
Vergnügen! Wenn ich da an Großmutter denke, die ständig herummäkelt und mich drängt, Kleider mit züchtigen Ausschnitten zu wählen. Welch ein Graus!““
„Du meine Güte!“ Francesca hielt sich die Hand ans Herz. „Bekomme ich nun Ärger mit der Duchess? Wobei ich keines der Kleider zu tief ausgeschnitten finde.“
„Sind sie auch nicht“, beteuerte Callie. „Sogar die jungen Debütantinnen zeigen mehr Busen, als Großmutter mir gestattet, weiß der Himmel warum. Dabei war die Mode in ihrer Jugend wesentlich freizügiger als heute. Aber sie wird keine Kritik an einem Kleid üben, das deine Anerkennung findet, da sie immer wieder betont, du hast in Modefragen den besten Geschmack sämtlicher Damen der Gesellschaft.“
„Dieses Kompliment weiß ich sehr zu schätzen, denn die Dowager Duchess of Rochford ist der Inbegriff der Eleganz.“
Die Freundinnen verbrachten noch eine Weile damit, bei Tee und Gurkensandwichs ihre Einkäufe zu bewundern, freuten sich über bunte Bänder, phantasievolle Knöpfe und Schals, die sie bei Grafton günstig erstanden hatten, genauso wie über ihre diversen Pelerinen und Kleider aus den eleganten Modesalons.
Schließlich stellte Francesca ihre Teetasse ab und tupfte sich mit der Serviette die Mundwinkel. „Falls du nicht zu müde bist, könnten wir heute Abend ins Theater gehen und uns ein wenig umsehen, ob wir einen passenden Kandidaten im Publikum entdecken.“
„Ja gerne, nach dem köstlichen Tee fühle ich mich wieder gestärkt und unternehmungslustig“, erklärte Callie, und ihre dunklen Augen sprühten vor Begeisterung. „Das klingt wunderbar.“
„Gut. Dann gebe ich Sir Lucien Nachricht und bitte ihn, uns zu begleiten. Er ist stets ein unterhaltsamer Plauderer.“ Francesca setzte sich an den kleinen Schreibtisch vor dem Fenster und schrieb ein paar Zeilen. „Von der Loge aus können wir uns einen Überblick verschaffen, welche Junggesellen sich in London aufhalten, die du eventuell kennenlernen solltest. Und außerdem sollten wir uns überlegen, welche Forderungen du an einen Ehemann stellst.“
„Eigentlich bin ich nicht sehr wählerisch“, erklärte Callie. „Er muss nicht besonders wohlhabend sein oder aus einer der besten Familien kommen. Großmutter wirft mir gern vor, ich sei nicht wählerisch genug.“ Sie seufzte. „Allerdings sollte er nicht unvermögend und von Adel sein, um auszuschließen, dass er mich wegen meines Geldes und meiner Familie heiratet.“
„Und sein Aussehen?“
„Ist mir auch nicht so wichtig. Ausgesprochen hässlich darf er allerdings nicht sein, aber auch nicht zu schön – mir gefallen markant geschnittene Männergesichter. Und kluge Augen.“ Ungebeten drängte sich ihr das Bild grauer Augen unter buschigen dunklen Brauen auf. Callie hatte sich nie große Gedanken über das Aussehen ihres Auserwählten gemacht, aber seit ihrer Begegnung mit dem Earl of Bromwell stellte sie fest, dass er ziemlich genau ihrem Wunschbild entsprach. Wobei sie selbstverständlich den törichten Gedanken entschieden von sich wies, einen Mann wegen seines Aussehens zu heiraten.
„Er muss auch ein angenehmer Unterhalter sein“, erklärte Callie eifrig, „und Sinn für Humor sollte er haben. Einen ernsten, grüblerischen Ehemann könnte ich nicht ausstehen. Einen Gelehrten will ich natürlich auch nicht. Viele von Rochfords Freunden langweilen mich zu Tode mit ihren endlosen Vorträgen über Geschichte oder Politik.“ Sie warf der Freundin einen halb belustigten, halb verschämten Blick zu. „Ich glaube, das alles klingt ziemlich oberflächlich.“
„Keineswegs. Rochfords hochgebildete Freunde hätten vermutlich die gleiche Wirkung auf mich.“ Francesca wedelte mit dem Briefbogen durch die Luft, um die Tinte schneller trocknen zu lassen, bevor sie ihn faltete und versiegelte.
„Ein Langweiler wäre nichts für mich“, fuhr Callie fort. „Ich meine, Rochford ist eigentlich nicht langweilig, solange er nicht mit seinen neunmalklugen Gelehrten zusammen ist, Wissenschaftler und Historiker und so. Aber ich möchte auch keinen, der keine klugen Antworten parat hat oder nicht versteht, worüber Sinclair spricht.“ Sie schwieg nachdenklich. „Du liebe Güte, ich fürchte, ich habe weitaus höhere Ansprüche, als ich eingestehen wollte.“
„So soll es auch sein. Du stellst nämlich einen hochdotierten Preis auf dem Heiratsmarkt dar, und diesen Preis verdient nur ein Mann mit besonderen Qualitäten. Im Übrigen erleichtert uns
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