MASKENBALL UM MITTERNACHT
schlecht über die Duchess zu sprechen, nachdem sie so viel für Callie und mich getan hat, statt ihr Alter im wohlverdienten Ruhestand zu genießen. Aber ehrlich gestanden hält man es auf die Dauer nicht unter ihrem strengen Regiment aus.“
„Erwarten Sie bloß kein Mitgefühl von mir, Rochford. Sie kennen meine Eltern“, entgegnete Francesca leichthin. „Ich kenne die Duchess zwar als gewissenhaft und aufopfernd, dennoch wird sie sich gerne eine Pause von ihren Pflichten als Anstandsdame für ein lebenslustiges junges Mädchen gönnen, während ich Callies Gesellschaft sehr begrüßen würde. Um diese Jahreszeit ist die Stadt ziemlich langweilig und öde. Callie und ich könnten ins Theater und in die Oper gehen, Soireen und Empfänge besuchen, und nach Herzenslust Einkäufe machen. In ihrer Gesellschaft wäre mein Leben durchaus kurzweiliger.“
Der Duke sah sein Gegenüber durchdringend an. „Hat meine Schwester Ihnen das eingeredet?“
Francesca lachte. „Du meine Güte, sind Sie misstrauisch. Callie hat natürlich nichts gegen meine Pläne einzuwenden, aber Sie müssen mir schon glauben, wenn ich sage, wie sehr ich mich über ihren Besuch freuen würde. Gelegentlich fühle ich mich ein wenig einsam in diesem großen Haus.“
Er blickte sie sinnend an. Und dann zuckte er unvermutet die Schultern und sagte gleichmütig: „Wenn Sie und Callie es wünschen, warum nicht? Ich habe nichts dagegen. Sie mag vielleicht etwas anderes behauptet haben, aber eigentlich braucht sie meine Erlaubnis nicht, wenn sie für ein paar Wochen bei einer Freundin wohnen will. Schließlich ist sie erwachsen, und ich bin kein Tyrann.“
„Natürlich sind Sie das nicht“, beteuerte Francesca und fügte mit einem katzenhaft verschmitzten Lächeln hinzu: „Allerdings kenne ich Sie lange genug, um mir die Bemerkung erlauben zu dürfen, dass Sie gelegentlich dazu neigen, nun ja, ein wenig herrisch zu sein.“
„Tatsächlich?“ Er zog seine dichten schwarzen Brauen hoch. „Nennen Sie mir bitte ein Beispiel.“
„Ich könnte Ihnen Hunderte nennen“, entgegnete sie prompt. „Ich entsinne mich eines Vorfalls. Ich war etwa zehn und ritt mit meinem Pony Ihre Auffahrt entlang und erschreckte diesen grässlichen Pfau, der auf dem Rasen vor dem Haus auf und ab stolzierte. Und Sie erklärten mir, Dancy Park sei Ihr Besitz, und Sie wünschten nicht, dass ich Ihren Vogel verscheuche.“
„Gütiger Gott, diesen Pfau hatte ich völlig vergessen“, entgegnete er lachend. „Sein Geschrei war unerträglich. Habe ich das wirklich gesagt? Eigentlich verwunderlich, dass ich Sie nicht aufgefordert habe, ihn endgültig zum Teufel zu jagen. Nun ja, wenn Sie so weit in der Vergangenheit graben, möchte ich erwähnen, dass Sie ein recht ungezognes Kind waren und eine Zurechtweisung mit Sicherheit verdienten.“
Francesca protestierte lachend. Die Spannung hatte sich gelöst, und die beiden plauderten von vergangenen Zeiten, bis Callie ins Zimmer stürmte, jäh auf der Schwelle stehen blieb, die Szene beobachtete und dann erleichtert aufatmete.
Als das Stubenmädchen ihr Tee und Toast ans Bett gebracht und sie davon unterrichtet hatte, dass der Duke im großen Salon warte, war Callie auf das Schlimmste gefasst. Obwohl ihr vor einer weiteren Auseinandersetzung mit Sinclair graute, wollte sie nicht zulassen, dass er seinen ganzen Groll bei Francesca ablud. Sie hatte sich in Windeseile angekleidet und war im Laufschritt nach unten geeilt. Während sie sich nun an der friedvollen Szene erfreute, dachte Callie an Francescas diplomatisches Geschick, mit dem es ihr gelang, nahezu jede gesellschaftliche Katastrophe zu glätten und in einen Triumph für sie zu verwandeln. Offenbar war es ihr auch diesmal nicht schwergefallen, den verdrießlichen Duke aufzuheitern und friedlich zu stimmen.
„Guten Morgen, Rochford“, grüßte Callie ein wenig schüchtern und betrat das Zimmer.
Er wandte sich ihr lächelnd zu. „Callie, meine Liebe.“
In Callies Brust löste sich ein Knoten. Sie näherte sich ihrem Bruder und streckte ihm beide Hände entgegen. „Oh Sinclair, es tut mir so leid, dass ich gestern so wütend weggelaufen bin. Ich hätte dich und Großmutter nicht beunruhigen dürfen.“
Er hatte sich erhoben und nahm ihre beiden Hände in die seinen. „Deine Großmutter weiß noch gar nichts davon. Der Diener brachte mir Lady Haughstons Nachricht noch in der Nacht, also wusste ich, wo du bist. Später fand ich deine Zeilen in deinem Zimmer.
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