MASKENBALL UM MITTERNACHT
einstellen. Das war der einzig richtige Schritt. Warum aber erfüllte ihn der Vorsatz, das Richtige zu tun, mit dieser dumpfen Leere?
12. KAPITEL
Callie war zwar ein wenig enttäuscht, als Lord Bromwell am folgenden Vormittag nicht vorsprach, dachte sich aber nicht viel dabei. Sie fühlte sich ohnehin nicht ganz auf der Höhe, klagte über Kopfschmerzen und ein flaues Gefühl im Magen, und die schräg einfallenden Sonnenstrahlen stachen ihr intensiver als sonst in die Augen von den Nachwirkungen des starken Arrakpunsches, den sie am Abend zuvor getrunken hatte. Callie, die nie mehr trank als ein Glas Weißwein zum Dinner oder gelegentlich ein Gläschen Fruchtlikör oder Sherry, beschloss, in Zukunft die Finger von Hochprozentigem zu lassen.
Francesca stellte ein paar Fragen über den Verlauf des Abends. Callie hatte sich vorgenommen, ihr nichts von den Vorfällen in Vauxhall Gardens zu berichten, sah sich indes genötigt, sie davon zu unterrichten, dass Lord und Lady Radbourne nicht erschienen waren, da das Thema mit Sicherheit bei einem nächsten Treffen mit Irene und Gideon zur Sprache kommen würde.
Nachdem sie von den bunten Lampions in den Bäumen und dem märchenhaft schönen Feuerwerk erzählt hatte, gestand Callie: „Lord und Lady Radbourne sind leider nicht gekommen.“
„Wie bitte?“ Francesca ließ ihre Handarbeit sinken und straffte die Schultern. „Sie sind nicht gekommen?“
„Nein.“
„Aber was … wer … du liebe Güte, ich hätte dich begleiten müssen“, stöhnte Francesca.
„Sei unbesorgt. Der Abend verlief ohne Zwischenfälle. Lady Swithington war da und Lord Bromwell, wir waren eine ziemlich große Gesellschaft. Miss Swanson mit ihrem Bruder und noch eine junge Dame, die ich nicht kannte.“
„Ich kann mir nicht vorstellen, wieso Irene uns nicht Bescheid gab, dass sie verhindert war“, sagte Francesca bekümmert. „Zum Glück hast du den Domino-Umhang und die Maske getragen. Du hast die Maske doch hoffentlich nicht abgesetzt, wie?“
„Nein, natürlich nicht. Niemand hätte mich erkannt“, versicherte Callie. „Ich lehnte sogar ab, zum Tanz geführt zu werden“, flüchtete sie sich in eine Notlüge.
Francesca nickte ein wenig erleichtert, doch die Stirnfalte wollte nicht weichen. „Ich denke, ich werde Irene am Nachmittag einen Besuch abstatten.“
„Denkst du, einer der beiden ist plötzlich krank geworden?“
„Ich weiß nicht, was ich denken soll“, antwortete Francesca bedächtig. „Aber ich muss erfahren, warum sie nicht gekommen sind. Auf Irene ist sonst stets Verlass. Möchtest du mich begleiten?“
Callie lehnte dankend ab. Ihr war nicht nach Ausgehen zumute, und sie hoffte, ein Mittagsschlaf mit einem in Lavendelwasser getränkten Tuch über der Stirn würde ihre Kopfschmerzen lindern. Im Übrigen würde Lord Bromwell vielleicht einen Besuch abstatten.
Wie sich herausstellte, meldete er sich auch am Nachmittag nicht. Aber der Mittagsschlaf im abgedunkelten Zimmer war erholsam, und als Francesca heimkehrte, wurde sie von Callie fröhlich begrüßt.
Francesca hingegen machte keinen fröhlichen Eindruck. Im Gegenteil: Ihre tiefblauen Augen funkelten zornig, und sie reckte kampfeslustig ihr zartes Kinn.
„Diese Lady Swithington! Diese unverschämte Person!“, fauchte sie auf Callies Frage, ob sie etwas bedrücke.
„Was heißt das?“
„Das heißt“, antwortete Francesca und betonte jedes einzelne Wort, „wie ich von Irene erfuhr, teilte Lady Swithington ihr am Sonntag in einer Notiz mit, der Ausflug nach Vauxhall Gardens könne leider nicht stattfinden, aber sie hoffe, das Vergnügen demnächst nachholen zu können.“
„Oh.“ Callie war nicht wirklich überrascht, obgleich sie gehofft hatte, die ganze Sache würde sich als eine Verkettung unglücklicher Zufälle herausstellen.
Francesca ging ruhelos im Zimmer auf und ab und machte sich ihrem Ärger über Lady Swithingtons falsches Spiel Luft, aber Callie hörte ihr nur mit halbem Ohr zu.
Bromwells Schwester hatte also den Verlauf des gestrigen Abends genau geplant. Der hemmende Einfluss von Lord und Lady Radbourne war ihr unerwünscht, wobei sie Callie das wohlweislich verschwiegen und vorgegeben hatte, nichts über ihren Verbleib zu wissen. Wiederholte Male hatte sie versichert, das Ehepaar würde gewiss nicht mehr lange auf sich warten lassen. Es war ihr nicht nur daran gelegen, ihr eigenes skandalöses Benehmen keiner Kritik auszusetzen, es war ihr auch wichtig, dass Callie nicht
Weitere Kostenlose Bücher