MASKENBALL UM MITTERNACHT
verletzt hat. Er sollte dafür bezahlen, nicht Callie.“
„Wen stört es, wenn sie ein wenig leidet?“, fauchte Daphne. „Sie ist eine Lilles, genau wie er, und ebenso hochmütig und kalt wie der Duke. Und dann noch diese Hexe Francesca Haughston! Die beiden passen ausgezeichnet zueinander, spielen die feinen Damen mit ihrem vornehmen Getue, als hätten sie nie einen sündigen Gedanken. Oh nein, die wären sich viel zu schade, auch nur an ein Schäferstündchen mit einem Mann zu denken.“
Daphnes Gesichtzüge waren verzerrt, ihre Stimme klang bitter. Ihr Bruder starrte sie entgeistert an. „Daphne! So habe ich dich noch nie … gesehen … oder reden gehört …“
„Du hast ja auch nicht fünfzehn Jahre wie eine Gefangene in Wales gelebt mit einem grässlichen alten Mann!“, schrie sie empört. „Nie durfte ich nach London reisen, nie Spaß haben. Eine Reise nach Bath war das Äußerste, was der Geizkragen mir zugestand! Und ich wurde immer älter, musste zusehen, wie meine Schönheit verblüht …“ Ihre Tränen quollen über und liefen ihr über die Wangen.
„Daphne …“ Bromwell konnte keine Tränen sehen, sein Zorn verflog, er legte den Arm um ihre Schultern. „Es tut mir leid. Es war furchtbar für dich, einen alten Mann heiraten zu müssen, den du nicht geliebt hast. Und dann auch noch der Verlust deines ungeborenen Kindes … Das alles war schrecklich. Du hättest wirklich ein besseres Schicksal verdient. Ich wünschte, ich wäre damals älter und klüger gewesen und nicht kopflos losgestürmt, um Rochford zum Duell zu fordern. Ich wünschte bei Gott, ich hätte dir damals helfen können. Aber glaube mir, du bist immer noch die schönste Frau in ganz London.“
Daphne lehnte sich besänftigt an seine Schulter und blickte hinter einem Tränenschleier zu ihm auf. „Wirklich? Hältst du mich immer noch für die schönste Frau in ganz London?“
Der Gedanke an Callie schoss ihm durch den Sinn, den er rasch von sich wies. „Natürlich bist du das“, antwortete er beschwichtigend, „daran hat sich nichts geändert. Und das weißt du auch.“
„Danke. Ich wusste, dass du sie nicht mehr liebst als mich“, stellte sie zufrieden fest und wischte sich die Tränen von den Wangen.
„Sie mehr lieben als dich? Unsinn, natürlich nicht“, entgegnete Bromwell, nahm den Arm von ihrer Schulter und reichte ihr sein Taschentuch. „Wie kommst du nur auf diese Idee?“ Er entfernte sich ein paar Schritte. „Ich liebe sie nicht. Aber es wäre sträflich, eine unschuldige Frau zu verletzen. Der Duke of Rochford ist der Einzige, der für seine Schandtaten büßen soll. Ihn möchte ich zwingen, mir Rede und Antwort zu stehen.“
„Und wie willst du das bewerkstelligen?“, fragte Daphne. „Wie kannst du Rochford Schaden zufügen, ohne ihn über seine Schwester aus der Reserve zu locken? Wenn du sie umwirbst, weckst du Erwartungen in ihr. Ein Gentleman überhäuft eine Frau nicht mit Aufmerksamkeiten, ohne sie verführen zu wollen oder um ihre Hand anzuhalten. Wenn du ihr keinen Antrag machst, gerät sie in Gewissenskonflikte. Und im ton wird man sich die Mäuler darüber zerreißen.“
„Aber ich habe doch erst begonnen, ihr den Hof zu machen. Ich habe nicht …“ Er hielt jäh inne.
„Was hast du nicht? Hast du ihr nicht praktisch jeden Tag einen Besuch abgestattet?“, fragte Daphne. „Hast du sie nicht zum Reitausflug nach Richmond Park und zu Spazierfahrten in deiner Karriole eingeladen? Bist du nicht bei jeder Soiree aufgetaucht, die auch sie besuchte?“
Bromwell furchte die Stirn. „Ich habe vielleicht häufiger ihre Nähe gesucht, als ursprünglich beabsichtigt“, gestand er. „Ich konnte ja nicht ahnen, dass sie so streng bewacht wird, und hatte gehofft, ihr irgendwann näherzukommen.“
„Siehst du! Aus diesem Grund habe ich dieses kleine Tête-a-tête in Vauxhall Gardens arrangiert“, erklärte Daphne triumphierend. „Um dir Gelegenheit zu geben, mit ihr allein zu sein. Wenn es keine Gerüchte über einen Skandal gibt, wie sollte Rochford unruhig werden?“
Bromwell fuhr sich nervös durchs Haar. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Wenn du recht hast, ist ihr Ruf bereits in Gefahr.“
„Genau“, stimmte Daphne ihm zu. „Deshalb …“
„Vielleicht sollte ich es dabei bewenden lassen.“
„Wie bitte?“ Daphne starrte ihn entgeistert an. „Soll das heißen, du ziehst dich zurück? Du hast deine Meinung geändert und willst Rochford nicht zur Rechenschaft
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