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Maskenball

Maskenball

Titel: Maskenball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Kuesters
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Kirchweg grenzte. An ihrem Sockel lag eine lange Holzleiter, so wie man sie früher benutzte, um in die Kronen der Kirsch- oder Birnbäume zu klettern. Frank schloss das Fenster und ging in die Küche zurück. »Ich glaube nicht, dass Ihr Vater ungebetenen Besuch von Kindern hatte. Dazu liegt die Wohnung zu hoch. Zumal es ja auch Nacht war. Aber Erwachsene könnten schon eine Leiter an das Haus angelehnt haben.«
    »Was hat das zu bedeuten?« Hiltrud Claassen putzte sich die Nase.
    »Ich weiß es nicht. Ich werde vorsichtshalber die Spurensicherung bitten, die Wohnung Ihres Vaters und das Grundstück an der Rückseite zu untersuchen. Dann wissen wir mehr.« Frank sah sich in der Küche um. Er hatte alles gesehen und war enttäuscht. Er hatte sicher nicht erwartet, etwas Bestimmtes zu finden, er hatte nur gehofft, überhaupt etwas zu finden. Mehr beiläufig und schon im Gehen zog er die kleine Schublade des Küchentischs auf. Sie war voller Krimskrams: Alte Bleistifte, Kugelschreiber, Schlüssel, Gummibändchen, eine Schachtel mit Heftzwecken, ein Schreibblöckchen, ein angebrochenes Päckchen Tempotaschentücher. Und ein Umschlag. Neugierig nahm Frank ihn in die Hand. Er trug keinen Absender und war schon geöffnet worden. Frank sah hinein und zog einen zusammengefalteten Zettel hervor. Als er ihn aufschlug, fand er darauf nur drei Worte: Die Blätter fallen. »›Die Blätter fallen‹. Wissen Sie, wer das geschrieben haben könnte? Und was es bedeutet?«
    »Keine Ahnung. Ich habe den Zettel noch nie gesehen. Das ist jedenfalls nicht die Handschrift meines Vaters.«
    »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich das mitnehme?«
    »Nein, warum sollte ich? Nehmen Sie ihn ruhig. Ich hätte ihn sicher sowieso weggeworfen. Hm, ›die Blätter fallen‹. Keine Ahnung, was das soll. Meinen Sie, der Zettel hat etwas mit dem Tod meines Vaters zu tun?« Hiltrud Claassen sah Frank ängstlich an. Sie hatte wieder Tränen in den Augen stehen.
    »Ich weiß es nicht, ich weiß es noch nicht.« Frank schob den Zettel mit spitzen Fingern in den Umschlag zurück und steckte den Brief in die Innentasche seiner Jacke. Er ärgerte sich, dass er nicht vorsichtiger mit dem Umschlag umgegangen war. Die Kollegen der Spurensicherung würden schön fluchen, denn sie würden eine Menge Fingerabdrücke von Frank finden. »Was sagt eigentlich Ihr Mann zu dem Fall?«
    »Mein Mann? Er ist entsetzt. Er ist erst gestern Abend von seiner Geschäftsreise zurückgekommen. Ich bin froh, dass er endlich da ist.«
    Frank drehte sich an der Tür noch einmal um und sah in die dunkle Wohnung hinein. War das alles, was am Ende von einem Menschen zurückblieb? Ein paar kalte Räume, nutzlos gewordene Kleider und Möbel? An was würde sich Verhoevens Tochter in zwei, drei Jahren noch erinnern können? Ob sie auf Fotos noch alle erkennen würde? Oder ob mit dem Gedächtnis ihres Vaters auch ihr eigenes Familiengedächtnis verloren gegangen war? Frank musste an den Tod seiner Eltern denken. Er kannte noch lange nicht jedes der lachenden Gesichter auf den wenigen Fotos, die er damals beim Aufräumen gefunden hatte. »Ich wäre so weit, Frau Claassen, wir können gehen.«
    Hiltrud Claassen blieb im Hausflur an den Briefkästen stehen und schloss das Fach ihres Vaters auf.
    Ecki stand im Flur, als Frank zurückkam. Er hielt ein Buch in seinen Händen. »Na, wie war es? Hast du Erfolg gehabt?«
    »Was heißt schon Erfolg? Wohnungen von Toten sind kalt und abweisend. Ich habe auf den ersten Blick nichts gefunden. Außer …«, er zog den Umschlag aus seiner Jackentasche, »außer diesem Umschlag. Darin steckt ein Zettel, handgeschrieben. Nur drei Worte: ›Die Blätter fallen.«*
    »Klingt poetisch. ›Die Blätter fallen.‹ Hm, wie der Teil eines Gedichts. Und, was soll der Satz? Warum ist er dir so wichtig?«
    »Keine Ahnung. Ich fand es nur ungewöhnlich, dass Verhoeven diesen Umschlag aufgehoben hat. Ein aufgerissener Umschlag ohne Absender. Der Satz muss eine Bedeutung für ihn gehabt haben.«
    »Verhoeven war doch Vorsitzender eines Gesangvereins. Kann doch gut sein, dass einer seiner Sängerfreunde ihm den Satz mitgegeben hat. Der Anfang eines Gedichts oder eines Lieds. Was weiß ich. Lass uns den Satz doch einfach mal in eine Suchmaschine eingeben.« Ecki war schon auf dem Weg zurück ins Büro.
    Ecki klickte sich am PC auf die Startseite von google und gab den Satz ein. »Die Blätter fallen«. »Bingo. Hier steht es. Es ist der Anfang von einem Gedicht.«
    Frank

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