Maskenschmuck (German Edition)
war.
*
Eine halbe Stunde später – nicht ohne sich am Türlautsprecher deutlich erkennen gegeben zu haben, Margot war nämlich sehr misstrauisch - betrat Rebecca den Flur und stieg die steile Stiege zu Margots Wohnung hoch. Wie jedes Mal wunderte sie sich, wie die alte Dame den beschwerlichen Aufstieg mehrmals täglich bewältigte, aber sie hatte es lange aufgegeben, sie zum Umzug zu überreden. Hier hatte Margot die letzten fünfzig Jahre gewohnt, hier wollte sie auch bleiben.
Margot hatte Rebecca sofort zum Kommen aufgefordert, als sie von dem Notizbuch gehört hatte.
„Hallo, meine Liebe, wie schön, dich zu sehen!“, wurde sie liebevoll begrüßt.
Aha, Margot war guter Stimmung. Rebecca umkurvte gekonnt etliche Tischchen, die mit Spitzendecken und Nippes voll gestellt waren und umarmte sie.
„Gut siehst du aus, da brauche ich dich gar nicht zu fragen, wie’s dir geht.“
„Nein, mein Bein lässt mich gerade mal in Ruhe, ich war heute lange spazieren am Wasser. Aber du hast schon mal besser ausgesehen – ganz blass um die Nase und zu dünn bist du auch noch.“
Rebecca ließ sich die kritische Musterung lächelnd gefallen.
„Schon gut, lass das Grinsen, ich sag nichts mehr, du willst wahrscheinlich so ein Hungerhaken sein. Dann zeig doch dein Buch her. Ich wusste gar nicht, dass die beiden ihre Geschichte aufgeschrieben haben. Ich hätte dir natürlich auch so alles über das Hochzeitskabinett erzählen können, aber damals nahm deine Mutter mir meine Bemerkung so übel, dass ich diesmal lieber meinen Mund gehalten habe. Schade, dabei schätzte ich den unabhängigen Geist deiner Mutter sehr. Aber eines will ich dir sagen, Rebecca“, sie blitzte sie aus ihren wachen Augen an und nickte nachdrücklich mit dem Kopf, „Ich habe recht behalten! Es kam genau so, wie ich es dachte.“
Damit nahm sie neugierig das blaue Notizbuch in die Hand.
„Tatsächlich! Das ist Elses Schrift. Und so viele Seiten! Ich habe nie gedacht, dass sie des Schreibens überhaupt mächtig ist ... Sie war so absolut unfähig, auch nur die alltäglichsten Dinge allein zu regeln, da könnte ich dir Geschichten erzählen, du würdest es nicht begreifen! Als ihr Mann starb, war sie nicht einmal in der Lage, eine simple Banküberweisung auszustellen. Wenn sie zum Arzt wollte, rief sie mich an, damit ich ihr einen Termin verschaffte. Sie mochte ihn nicht selbst anrufen! Das ist doch nicht zu begreifen! Wie sie es geschafft hat, ohne großes Aufhebens zu sterben, grenzt an ein Wunder. Ich habe wirklich keine Geduld mit solchen Trantüten!“
Das glaubte Rebecca ihr unbesehen, Margot hatte nie etwas für hilfloses Jammern übrig gehabt, und regelte ihr eigenes Leben trotz ihres hohen Alters immer noch ohne fremde Hilfe. Sie verbat sich jede Einmischung. Wenn sie etwas nicht persönlich beschaffen konnte, bestellte sie das Gewünschte eben telefonisch.
Inzwischen hatte sich Margot in die Lektüre vertieft. Man hörte gelegentlich ein kurzes meckerndes Lachen. Schließlich hob sie den Kopf und blickte Rebecca an.
„Im Großen und Ganzen erzählt Else hier ihre Liebesgeschichte. Den Hergang erinnere ich natürlich genau, aber ich hätte das nie so schwülstig formulieren können. Na, Stil hatte sie noch niemals besessen, die Gute. Das hier ist das einzige Mal gewesen, dass sie sich gegen einen Wunsch ihrer Eltern aufgelehnt hat.“
Margot setzte sich gemütlich zurück und fuhr fort.
„Ihre Eltern wollten, dass sie den Sohn einer entfernten Verwandten heiratete, er war von Beruf Kürschner und hätte das Geschäft ihrer Eltern übernehmen sollen, da sie zu ihrem großen Bedauern keinen eigenen Sohn hatten. Alles war bereits geplant, die Feier sollte in wenigen Wochen stattfinden. Da brachte ein Schreiner einen Kabinettschrank, den sie als Mitgift von ihren Eltern erhalten sollte. Ihre Eltern hatten ihn auf einer Auktion erworben und ihn aufpolieren lassen. Zufällig war Else allein zu Hause, als der junge Mann ihn anlieferte, und von da an ging alles ganz schnell. Anscheinend war es auf beiden Seiten die ganz große Liebe. Alle Drohungen ihrer Eltern waren vergebens, und endlich willigten sie ein, um ihre Tochter nicht ganz zu verlieren.“
Margot nickte nachdenklich, „Da hatte Else einen guten Griff getan, die Ehe lief recht ordentlich, obwohl sie
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