Maskenspiel
Pubs in meinen Laptop. »Hast du heute Abend Zeit?«, flüstere ich in Christophers Richtung. Er nickt. »Okay, um halb acht?« Er nickt wieder. »Ich bringe jemanden mit, Dad. Er heißt Christopher. Nur Christopher. Nein, ich sage dir seinen Nachnamen nicht. Ja …? Danke, Daddy, bis heute Abend!«
»Was war das denn gerade?«, fragt Christopher nur.
Ich hole tief Luft. »Das war mein Vater. Du wirst ihn heute Abend kennenlernen.«
»So, Sie sind also Emilys Freund«, begrüßt mein Vater Christopher.
So viel zum Thema, wie man einen Mann, mit dem man vor Kurzem wilden Sex hatte, seinem Vater vorstellt. »Ein Freund, Daddy, nicht mein Freund.« Obwohl ich ihn nur zu gerne als solchen vorgestellt hätte.
»Brian.«
»Christopher.«
Die beiden Männer taxieren sich über den Tisch hinweg wie zwei Gegner vor einem Kampf.
»Hey, ich bin schließlich auch noch da!«
»Natürlich, Kleines. Siehst ja richtig erwachsen aus!«
»Ich bin erwachsen, Daddy. Ich bin seit zwei Jahren mit der Uni fertig.«
»Und seitdem haben wir uns nicht mehr gesehen. Wie geht es dir? Wie geht es deiner Mutter?«
»Sie heißt Eva, Daddy.«
Mein Vater seufzt.
»Wie geht’s Carol und den Zwillingen?«, frage ich.
»Die Zwillinge sind unglaubliche Racker, die man keine Minute unbeaufsichtigt lassen kann. Carol ist wieder schwanger.«
»Ja, dann … herzlichen Glückwunsch«, entgegne ich etwas unbeholfen.
Danach stockt das Gespräch etwas, bis mein Vater fragt: »Worum geht es denn überhaupt genau?«
»Jemand behauptet, meine uneheliche Tochter zu sein«, antwortet Christopher.
Mein Vater sieht ihn streng an. »Und, sind Sie’s?«
Christopher wird die Unterhaltung zunehmend unangenehm, aber er bleibt ruhig. »Ich hoffe nicht.«
»Ich warne Sie, wenn Sie meiner Kleinen wehtun, bekommen Sie’s mit mir zu tun.« Mein Vater zieht einen braunen Umschlag aus seiner Aktentasche und reicht ihn mir. »Eigentlich darf ich dir gar nichts Schriftliches geben. Eigentlich darf ich dir noch nicht mal was sagen.«
Ich nicke. Ich habe meinen Vater noch nie um einen solchen Gefallen gebeten, und ich möchte ihn nicht in einen Gewissenskonflikt bringen.
Er wirft Christopher einen unfreundlichen Blick zu, der wohl suggerieren soll, dass alles allein seine Schuld ist. »Christine Miller war bisher nicht besonders auffällig. Zwei Ladendiebstähle, das ist alles; allerdings scheint sie momentan in London zu sein, dürfte also von zu Hause ausgerissen sein. Schwieriger ist die Mutter. Alkohol, häusliche Gewalt, Depressionen, notorische Lügnerin, zwei Jahre Psychiatrie, während denen die Tochter in einem Heim war.«
»Kann man herausfinden, ob sie vor siebzehn Jahren in Cambridge war?«, fragt Christopher.
»Offiziell gemeldet war sie dort nicht. Man könnte Nachforschungen betreiben, aber …«
Christopher schüttelt den Kopf. »Was würden Sie mir raten, was ich machen soll?«
»Wenn Sie wirklich Gewissheit haben wollen, sollten Sie einen DNA-Test machen lassen. Am besten unter Hinzuziehen eines Anwalts. Wenn das Mädchen wirklich Ihre Tochter ist …« Er lässt den Satz unvollendet. »Wenn nicht, haben Sie ein Druckmittel, damit sie sich von Ihnen fernhält.«
»Scheint, als hätte ich keine Wahl, aber in meiner momentanen Situation kann ich mir eine solche Publicity kaum erlauben, und eine Stalkerin kann ich erst recht nicht gebrauchen.«
Ich spitze die Ohren. Was hat Christopher damit gemeint? Von welcher Situation redet er da? Aber er spricht schon weiter. »Also schön. Jetzt müssen wir Christine nur noch finden und sie dazu bringen, einem DNA-Test zuzustimmen. Wird schwierig, wenn sie ausgerissen ist. Polizeilich will ich sie nicht suchen lassen …«
Ich halte ihm den Umschlag hin. »Gar nicht schwierig. Sie kommt morgen in der Firma vorbei.«
Im Taxi zurück ist Christopher zunächst wortkarg.
Liebend gerne würde ich mich während der Fahrt an ihn lehnen, aber er schaut schweigend geradeaus. »Woran denkst du?«, will ich wissen.
»Ich frage mich, warum deine Eltern sich getrennt haben.«
Das überrascht mich. »Sie haben sich Hals über Kopf verliebt und sehr jung geheiratet. Eine Weile ging es ja auch gut, aber ich vermute, dass meine Mutter irgendwann nicht mehr mit dem Leben klarkam, das sie mit meinem Vater hatte. Ständige Umzüge, ständige Auslandsaufenthalte, ständige Angst …«
»Was macht sie jetzt?«
»Sie lebt in der Nähe von Berlin auf einem Ökohof. Ich glaube, sie vermisst ihn immer
Weitere Kostenlose Bücher