Maskenspiel
Langen Straße und kam dann genau auf sie zu. Doch er schien Katinka nicht zu erkennen. Rasch lief er am Cador vorbei, setzte sich eine Sonnenbrille auf und ging dann weiter in Richtung Karolinenstraße.
»Willst du hinterher?«, fragte Britta aufgeregt.
»Ich wüsste nicht, wozu!«, stöhnte Katinka.
Der Salat kam. Britta hatte schon Messer und Gabel in der Hand und stürzte sich hungrig auf ihr Essen.
»Schließlich frage ich mich«, sagte Katinka zwischen zwei Bissen Rucola, »weshalb die Lehrstuhlmitarbeiter alle so nervös sind.«
»Weil«, erläuterte Britta, »sie es nicht gewöhnt sind, von einer privaten Ermittlerin ausgehorcht zu werden.«
»Ich bitte dich, Britta!«, entgegnete Katinka. »Bei allem, was recht ist: Aber eine Diskette zu klauen, Post aus dem Fach zu mopsen und neue Dateien durch alte zu ersetzen, das sind doch trotz allem Bagatellen!«
»Wenn jemand an dem Lehrstuhl das macht«, erwiderte Britta, »ist es mit Sicherheit keine Bagatelle. Für die Leute steht immerhin ihr Ruf auf dem Spiel. Vergiss das nicht.«
Katinka aß schweigend weiter. Britta hatte Recht. Von außen betrachtet wirkten die Geschehnisse lächerlich, aber die Mitarbeiter steckten mitten drin im Schlamassel. Sie verdächtigten sich vermutlich gegenseitig und umkreisen einander misstrauisch wie ein Rudel Haie.
»Eben!«, rief Katinka und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Britta zuckte zusammen. Die Gläser klirrten leise. »Das ist genau der Punkt! Ich hätte eine Atmosphäre von Skepsis und Argwohn erwartet. Stattdessen betonen alle, wie nett, hörst du, wie nett sie sich gegenseitig finden.« Während sie das sagte, fiel Katinka auf, dass es nicht stimmte. Waren nicht Fria Burgwart und Ludovic Montfort in den Beschreibungen ihrer Kollegen teilweise eher schlecht weggekommen?
»Du kannst einen ganz schön erschrecken«, meinte Britta trocken und trank ihre Schorle aus. »Hast du heute Abend Lust, mit ins Mahrs zu gehen? Mein Kollege Alban und ich haben uns verabredet. Ich habe einen Mordsappetit auf Zwetschgenbames. Frag doch Tom.«
»Mal sehen«, sagte Katinka zerstreut. Im Augenblick konnte sie sich auf kulinarische Köstlichkeiten wie luftgetrockneten Rinderschinken nicht konzentrieren. Sollte es doch etwas werden mit Britta und diesem Alban? »Hörst du dich wegen Laubach mal um?«
»Klar. Sonstige Anweisungen?«
»Fria Burgwart, Ludovic Montfort, Anna-Beata Först, das sind die Vollzeitleute«, erklärte Katinka. »Außerdem gibt’s noch eine Frau Helena Jahns-Herzberg, die im Moment im Erziehungsurlaub ist.«
»Jahns-Herzberg? So eine verkniffene Tussi? Weißt du was? Über die war kurz nach Weihnachten ein Bericht im FT.« Britta schob ihren leeren Teller von sich. »In unregelmäßigen Abständen erscheint eine Serie, die heißt Menschen in Bamberg oder so ähnlich. Und dafür haben sie auch mal Dr. Helena Jahns-Herzberg porträtiert. Die grandiose Karrierefrau mit dem funktionierenden Kleinkind, dem schon jetzt auf Erfolg vorprogrammierten Ungeborenen und dem hochangesehenen Ehemann, der eine leitende Position bei Brose innehat, was wohl bedeuten soll, dass er nicht am Band steht und Fensterheber zusammensetzt.«
»Du weißt aber auch alles. Allerdings ist das Ungeborene inzwischen auf der Welt.«
»Das wüsstest du genauso, wenn du nur mal unsere Zeitung sorgfältig lesen würdest«, beschwerte sich Britta. »Das Foto von dieser Helena war nicht gerade glücklich gewählt. Sie sah sehr gehemmt aus. Typ Gouvernante.«
»Ich fahre heute Nachmittag zu ihr nach Rattelsdorf raus«, sagte Katinka. »Mal sehen, wie sie die Geschichte darstellt.«
»Ich drücke die Daumen«, sagte Britta, »und muss auch schon los. Hallo? Zahlen!«
5. Helena Jahns-Herzberg
Am Baggersee flackerten die ersten Lagerfeuer des Jahres, und Bratwurstgeruch wehte von den Grillrosten herüber. Sehnsüchtig sah Katinka hinüber. Der Tag war windiger, als sie angenommen hatte. Kraftvoll musste sie in die Pedale treten, um vorwärts zu kommen. Rattelsdorf lag direkt vor ihr, der Fahrradweg zog sich schnurgerade durch die Felder. Katinka war sehr gespannt auf Helena Jahns-Herzberg. Während sie die Straße mit dem eigenartigen Namen Am Steinig suchte, sortierte sie in ihrem Kopf, was sie bereits wusste, und was sie unbedingt herausfinden wollte. Natürlich, das Ziel war, den Manipulator von Dateien und den Post- und Diskettendieb zu überführen. Aber zunächst wäre sie schon glücklich, die Sozialstrukturen am
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