Maskenspiel
Grünhundsbrunnen.
Schon auf der Unteren Rathausbrücke musste sie absteigen. Der samstägliche Flohmarkt blockierte die Durchfahrt. In der Dominikanerstraße wälzten sich Touristenströme in beide Richtungen, blieben direkt auf der Straße vor dem Schlenkerla stehen und philosophierten über den eigenartigen Namen der berühmten Brauerei und Bierkneipe. Den könnte ich euch schon erklären, dachte Katinka, während sie sich mit ihrem Rad an der Mauer des Hotels Alt Ringlein vorbeiquetschte. Entnervte Autofahrer versuchten, die Menge aus dem Weg zu hupen.
»Schauen Sie auf den Ausleger«, riet Katinka einer verdutzten Touristin in Mikrofaserjacke, grauen Jerseyhosen und beigen Gesundheitsschuhen mit Keilabsatz. »Sehen Sie die krummen Beine? Der arme Wirt hatte einen Unfall und musste danach mit den Armen schlenkern, um sein Hinken auszugleichen. Deswegen Schlenkerla .«
»Wie schrecklisch! Wird dat denn nisch mehr besser?«, fragte die Dame in Ruhrpottsingsang mit großen Augen und starrte auf den Lorbeerkranz, in dessen Mitte die Figur des bedauernswerten Gastronomen zu sehen war.
»Nein, der ist schon seit über hundert Jahren tot«, verkündete Katinka mit Grabesstimme und schob sich grinsend weiter.
Fria öffnete auf ihr Klingeln sofort, als hätte sie hinter der Tür gelauert. Katinka warf einen prüfenden Blick auf Toms Fahrrad und sagte:
»Tut mir Leid, dass ich Sie störe, aber es dauert ganz bestimmt nicht lang!«
»Verstehen Sie, ich bin in Druck wegen der Tagung.« Fria trug dieselben fleckigen Jeans wie vor kurzem an der Uni und ein völlig formloses T-Shirt mit ausgebleichtem Aufdruck. Sie führte Katinka in ein mit Büchern vollgestopftes Zimmer. Alle Wände waren mit Regalen zugestellt. Ein Computerbildschirm besetzte einen winzigen Schreibtisch. Das Flimmern gab dem düsteren Raum ein eigentümliches Licht. In der Mitte stand ein Sofa, als wartete es jede Minute auf den Abtransport zum Sperrmüll. Fria bot Katinka Platz an und setzte sich selbst auf die Kante ihres Schreibtisches, wozu sie zunächst einige Papierstapel wegschieben musste.
»Erste Frage«, sagte Katinka. »Kennen Sie sich mit Fahrrädern aus?«
»Wie, mit Fahrrädern?«, fragte Fria zurück und sah ehrlich erstaunt aus.
»Zweite Frage. Haben Sie private, freundschaftliche Kontakte zu einem Schlüsseldienst?«
»Schlüsseldienst?« Frias Gesicht war ein einziges Fragezeichen.
»Drittens«, sagte Katinka. »Haben Sie einen Freund, Geliebten oder auch nur einen männlichen Bekannten, der in Ihrem Auftrag Drohanrufe auf fremde Anrufbeantworter tätigt?«
Fria schüttelte stumm den Kopf.
O.k., abgehakt, dachte Katinka fast ein wenig enttäuscht. Sie hat nichts damit zu tun, jedenfalls nicht mit der Manipulation von Rad, Anrufbeantworter und Wohnungstür. Katinka wies auf den flimmernden Bildschirm und sagte:
»Arbeiten Sie da gerade die Ergebnisse von Carsten Stielke ein?«
Bingo. Fria wurde rot wie ein Hummer. Ihre dürren Hände fuhren zu ihrem Haargummi, den sie mit einer zittrigen Bewegung festzurrte. Die roten Locken sahen stumpf und leblos aus. Mit ein bisschen Pflege, lenkte sich Katinka für einen winzigen Moment ab, könnte sie richtig was aus sich machen.
Fria ließ die Arme herunterhängen und sagte leise:
»Ich habe nichts mit Carstens Diskette zu tun!«
»Frau Burgwart«, versuchte es Katinka mit der freundlichen Variante, »wenn Sie mir die Diskette mit Stielkes Ergebnissen geben, dann bekommt er sie von mir zurück und es bleibt unter uns, wo ich sie aufgetrieben habe.«
»Nein!«, rief Fria hektisch und wieder riss sie die Hände hoch und fummelte an ihren Haaren. »Ich habe die Diskette nicht.«
Die Röte in ihrem Gesicht vertiefte sich. Katinka war sich sicher, dass Fria log. Aber sie musste auch ihre Theorie in Frage stellen. Denn wenn Fria tatsächlich Stielkes Diskette gestohlen hatte, dann wurde ihr nichts in die Schuhe geschoben. Doch wie passte der Mord an Henry dazu?
Katinka konnte es nicht lassen:
»Wo waren Sie am Mittwochabend, als Henry Wewerka umgebracht wurde?«
»Zu Hause!«, sagte Fria bestimmt und wurde nun wieder ruhiger.
»Haben Sie auch die Post entwendet?«
»Nein!«, entgegnete Fria und sah zu Boden.
»Wie ist Ihr Verhältnis zu Helena?«
»Helena?«, sagte Fria erstaunt, wobei sie den Kopf hob und Katinka anblickte. Ihr Gesicht sah völlig versteinert aus. »Mit Helena kann man kein Verhältnis haben, nicht als Kollegin, nicht als Bekannte.«
»Ihr Freundeskreis liegt
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