Maskenspiel
dieser aus der Verbannung zurückgekehrt war. Im offiziellen Bericht des Bamberger Appellationsgerichtes war von Selbstmord die Rede gewesen. Dennoch, fand Katinka, wäre auch Mord vorstellbar. Wer konnte schon die inneren Konflikte durchschauen, die die Menschen umtrieben? Es war schwierig genug, die eigenen einigermaßen nüchtern hinzunehmen.
Sie beobachtete Frias Haustür und versuchte dabei, all ihre Gedanken zu sortieren. Es wurde ein langer, öder Nachmittag. Zwei Mal telefonierte sie mit Tom. Er redete ihr ein, es sei sinnlos, herumzustehen und Frias Wohnung anzustarren.
»Wo sollte sie hingehen, wenn sie die ganze Zeit arbeitet? Welche Freunde sollte sie besuchen, wenn sie keine hat?«, fragte er, und Katinka hörte seine Enttäuschung über den wohl verlorenen Samstagabend. Erstaunt stellte sie fest, dass sie zwar den Hauch eines schlechten Gewissens verspürte, Toms Frust sie aber positiv stimmte. Immerhin lieferte er ihr einen Beweis, dass ihm wirklich an ihrer beider Zusammensein lag.
»Ich habe sie nervös gemacht«, erwiderte Katinka. »Und das Wissen, dass ich sie halbwegs durchschaue, wird sie umtreiben. Ich bleibe jetzt mal hier, es wird sich schon noch was tun.«
»Na denn«, murrte Tom. »Ich für mein Teil habe einen Hefeteig angesetzt.«
»Hej, Tom, das ist klasse«, rief Katinka ehrlich erfreut.
»Allerdings wäre ich dankbar, wenn ich den Zopf vor Mitternacht mit dir essen könnte«, fügte er hinzu.
»Klar. Hej, Tom Dooley, sei nicht sauer.«
»Eher schon«, gab Tom ehrlicherweise zu.
Katinka seufzte tief, als sie das Gespräch beendete. Wahrscheinlich hatte Tom Recht, und es erschien ihr selbst unplausibel, Fria hinter dem Ofen vorgelockt zu haben. Doch nun hatte sie schon soviel Zeit investiert. Sie beschloss, noch nicht abzubrechen und noch ein klein wenig zu warten.
Als die Dämmerung herbeischlich, klingelte ihr Handy.
»Hauke von Recken«, dröhnte es ihr entgegen.
»Ach, ich grüße Sie«, antwortete Katinka perplex.
»Sagen Sie mal, gerade habe ich mit Milo telefoniert. Was haben Sie denn da ausgelöst?«
Unerwartet stürzten mehrere Gedankenblitze zugleich auf Katinka ein. Wie immer in solchen Momenten ergriff sie Panik und sie versuchte vergeblich, Intuitionen in ihrem Kopf festzunageln.
»Ich wüsste nicht, dass ich etwas ausgelöst hätte, Herr von Recken«, sagte sie kühl und zerrte an der Kordel ihres Rucksacks, um an ihr Notizbuch zu kommen.
»Na, hören Sie mal! Milo ist ehrlich entsetzt! Am Mittwoch beginnen Sie Ihre Nachforschungen, und sogleich wird jemand … ermordet! Ich muss schon sagen!«
»Was müssen Sie sagen?«, fragte Katinka und kritzelte Recken über Laubach befragen auf eine freie Seite.
»Ja, ich bin … ich bin sprachlos!«
»Ich ehrlich gesagt nicht«, sagte Katinka locker. »Der Täter hat sich in die Enge gedrängt gefühlt. Womöglich hat der getötete Student ihm gedroht.«
»Nun untersucht aber die Polizei den Vorfall«, fragte von Recken besorgt. »Das ist recht gefährlich für eine … für Sie.«
Katinka nahm an, er wollte für eine Frau sagen.
»Den Mord untersucht selbstverständlich die Polizei. Allerdings habe ich ein Joint Venture mit dem Hauptkommissar.« Sie konnte nicht anders, sie musste einfach ein bisschen angeben.
»Glauben Sie denn, dass der Datenvernichter, der Laubachs Leuten das Leben schwer macht, der Mörder ist?«, fragte der Archäologieprofessor neugierig.
»Wissen Sie«, sagte Katinka langsam und lehnte sich müde vom Herumstehen gegen die Mauer, »der Datenvernichter, der Laubachs Leuten das Leben schwer macht, ist einer von Laubachs Leuten.« Sofort biss sie sich auf die Zunge. Das hättest du ihm nicht sagen sollen, schnurrte die Wespe bitterböse.
»Aber, das ist …« Hauke von Recken blieb einen Moment lang die Spucke weg. »Das ist ja … pathologisch!«
»In der Tat«, sagte Katinka, »und nicht gerade drollig. Können Sie mir einen i hrer Psychologenkollegen empfehlen?«
»Brauchen Sie eine Therapie?«
»Nein, ein paar Informationen über Persönlichkeitsprofile und pathologien.«
Hauke von Recken zögerte, dann sagte er: »Dr. Gabriele Borst halte ich für eine sehr kompetente Frau. Sie ist Assistentin bei den Psychologen, eine gute Nachwuchswissenschaftlerin.«
Katinka notierte die Nummer, die von Recken ihr diktierte. Dann fragte sie:
»Wie gut kennen Sie und Professor Laubach sich eigentlich?«
»Wir sind ganz gut befreundet«, gab von Recken zur Antwort.
»Sind Sie auch mit
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