Maskenspiel
Hautfarbe vertiefte sich. Er sah nun sehr ungesund aus.
»Nein, nur geliehen, von … einem Freund.«
»Ein wirklich großzügiger Freund«, bestätigte Katinka verächtlich.
»Möchten Sie Kaffee?«, fragte Carsten Stielke.
»Gern«, sagte Katinka und ging ihm in die Küche nach. Sie sah Tom einen Moment lang tief in die Augen. Wenn er nur verstand! Wenn er Stielkes Laptop in Betrieb setzen würde!
Stielke besaß eine vollautomatische Kaffeemaschine, unter die er nun zwei Tassen stellte und auf den Knopf mit der Beschriftung Café au Lait drückte.
»Sie wohnen wirklich schön, Herr Stielke«, sagte Katinka und betrachtete die in schnörkeliger und merkwürdig runder Handschrift beschriebenen Einkaufszettel, die Stielke an den Küchenschrank geklebt hatte.
»Ja, nicht wahr? Das ist der Vorteil, wenn man in einer kleinen Ortschaft wohnt. Nahe an der Natur«, sagte Stielke. Er war das glatte Gegenteil eines Naturburschen.
»Wie haben Sie diese Wohnung denn gefunden?«, fragte Ka-tinka in übertrieben begeistertem Tonfall.
»Och«, machte Stielke. »Auf dem Land ist leicht was zu finden. Die meisten Studenten möchten doch lieber mitten in der Stadt sitzen.«
»Haben Sie denn ein Auto?«
»Äh, ja!«, sagte Stielke.
Katinka nickte vielsagend und versuchte gleichzeitig, ins Arbeitszimmer hinüberzulauschen. Ob Tom die Kiste angeworfen hatte, überlegte sie, und war sich im selben Moment bewusst, dass sie sich auf einem schmalen Grat bewegten. Sie konnte sich nur auf Stielkes Panik verlassen. Sollte er auftrumpfen und sie rausschmeißen, würden sie und ihr angeblicher Kollege ziemlichen Ärger bekommen.
»Sicher wohnt es sich auch billiger als in der Innenstadt«, sagte sie und tat, als würde der Blick aus dem Dachfenster sie zutiefst verzücken.
»Nun, ja … ja!«, rief Stielke. In der Tiefe der Kaffeemaschine begann es zu rumoren. Schäumend ergoss sich der Kaffee in die beiden Tassen.
»Tolles Modell«, sagte Katinka. »Darf ich Sie als Romanisten fragen, ob sie das Modell in Italien gekauft haben?«
»Nein, in Frankreich«, sagte Carsten Stielke. Endlich nahm er das Sonnenhütchen ab. Seine kurzen Haare pappten schweißnass aneinander. Ein dunkler Abdruck umrandete seinen Kopf.
»Wie geht es Ihren Vorbereitungen für die Tagung?«, fragte Katinka. »Sicher haben Sie schon einen Großteil Ihrer Daten wiederhergestellt, Sie wirken richtig entspannt.«
Das stimmte nun überhaupt nicht. Katinka wurde selber unheimlich, als sie bemerkte, wie leichtfertig sie mit Stielke spielte. Erstaunt musste sie feststellen, wie mühelos man Kraft und Stärke seines Gegners austarierte. Stielke war hypernervös und offensichtlich ein Lügner. Das ganze Theater, was für eine Katastrophe der Verlust seiner Diskette darstellte – Geblubber! Während Stielke entspannt im Schatten der Regentonnen den Frühling genoss, lachte er sich ins Fäustchen über die dumme Detektivin, die dem Diskettendieb nachstellte.
»Haben Sie einen Verdacht, mittlerweile?«, fragte Katinka. Sie nahm sich einfach eine der beiden Kaffeetassen und nippte an der heißen Flüssigkeit.
»Äh«, sagte Carsten Stielke, nahm die zweite Tasse in die Hand und machte Anstalten, ins Arbeitszimmer hinüberzugehen, aber Katinka hielt ihn auf. »Sind das Ihre Nachbarn?«
Eine junge Frau mit zwei Kindern an der Hand ging gerade über den Rasen.
»Äh, ja, meine Vermieter«, sagte er und stellte die Tasse wieder ab.
»Sehr nett«, sagte Katinka und ließ offen, was sie damit meinte. »Wie sieht es aus mit Ihrer Vortragsvorbereitung?«
»Ich«, Stielke schluckte, »ich bin recht gut vorangekommen, nachdem ich die letzte Woche Tag und Nacht gearbeitet habe. Jetzt … brauchte ich einfach eine Pause!«
»Klar!«, bestätigte Katinka sofort verständnisvoll, meinte irgendein Computerpiepsen aus dem Nebenzimmer zu hören, und redete schnell weiter: »Wir alle brauchen Pausen, und geistige Kreativität ist regelrecht auf Pausen angewiesen, nicht wahr? Hm, sehr guter Kaffee, wissen Sie was, ich übernehme hier gleich mal die Tasse für meinen Kollegen, dann machen wir ihm einen frischen.«
Sie stellte ihre Tasse ab und griff nach der, die für Tom bestimmt war.
Ein gutes Herz hälts aus, dachte sie.
Resigniert drückte Stielke wieder auf die Café-au-lait -Taste.
»Wie sieht es eigentlich mit den Rechnern am Lehrstuhl aus? Sind die Motherboards gerichtet? Wie stehts mit dem Brenner?«
Stielke, der sichtlich um Fassung rang, sagte verkniffen: »Ludovic
Weitere Kostenlose Bücher