Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maskerade

Maskerade

Titel: Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman Butters
Vom Netzwerk:
gesagt oder nicht gesagt worden, oder man sorgte sich um etwas, das gestern passiert war oder morgen geschehen könnte. Dieser Samstag nun war gekommen wie ein unerwartetes Geschenk. Nichts hatte darauf hingedeutet, was ihr zuteil werden würde, und sie war zu glücklich, um fragen zu können, was als nächstes folgen würde. Sie war ganz einfach zufrieden mit dem, was bereits geschehen war. Ein Reisebuch hatte sie aufgeschlagen, da klingelte das Telefon, und Peter war angekommen, ganz einfach war es gewesen. Ein Tag hatte Monate schmerzlicher Erniedrigung ausgelöscht.
    Gegen Ende der Woche begann sich ihr Gewissen Marc gegenüber zu regen. Am Telefon war er kurz gewesen, und seither hatte er nicht mehr angerufen, um sich erneut mit ihr zu verabreden. Man konnte sein Schweigen auslegen, wie man wollte. Die Skala begann bei Vorwürfen und reichte über stummes Bösesein bis zu einem gleichgültigen Achselzucken. Und gerade das letztere bekümmerte sie am meisten. Gewiß, er hatte von vornherein gewußt, daß sie Peter liebte, und es hatte ihm sogar Spaß gemacht, sie deshalb zu necken. Sie hatte erwartet, daß er sie zu Peters Rückkehr beglückwünschen und vorschlagen würde, eben an einem andern Samstag nach New York zu fahren. Weder das eine noch das andere hatte er getan, und sie fürchtete, er würde vielleicht schlecht von ihr denken.
    Der Samstag war Balsam für ihre wunde Seele. Peter war dagewesen, und er hatte gebeten, am nächsten Wochenende wiederkommen zu dürfen. Schön! Aber hätte sie ihn nicht bitten können, ein anderes Wochenende zu wählen? Das Gefühl war mit ihr durchgegangen, so war es, und sie gestand es sich selbst zerknirscht ein. Peter hätte verstanden, daß sie schon andere Pläne hatte. Aber sie hatte alles umgeworfen, obgleich sie wahrhaftig niemandem hatte weh tun wollen, ganz besonders nicht Marc.
    Sie konnte kaum erwarten, bis sie Peter wiedersah, aber der Gedanke, mit ihm auszugehen, beängstigte sie zugleich, weil sie sich vor ihrem Schuldgefühl Marc gegenüber fürchtete. Wenn sie bloß klug genug gewesen wäre, die Lage etwas vernünftiger zu meistern!
    Diesmal hatte Peter seine Reise bereits am Freitagmittag angetreten und konnte daher um zehn Uhr abends in Philadelphia aus dem Zug steigen. Er hob sie hoch wie eine Puppe, küßte sie und schwang sie ein paarmal im Kreis herum, bevor er sie wieder auf dem Bahnsteig absetzte.
    „Bin ich froh, daß ich dich wiederhabe“, rief er verliebt aus, „aber es wäre mir viel lieber, wenn du in Boston zur Schule gingest!“
    „Hallo, Peter“, lachte sie selig, „war die Fahrt sehr lang und anstrengend?“
    „Nun, sie reichte, um meine Beine steif werden zu lassen, soviel kann ich dir versichern. Aber noch viel, viel länger war die Woche, in der ich dich nicht sehen konnte. Ich würde lieber nur drei Blocks weit laufen, um dich in die Arme nehmen zu können. Übrigens lassen alle in Bridgedale herzlich grüßen, ich meine wirklich alle.“
    „Soll das heißen: meine Eltern?“ fragte sie verstört.
    „Nein, wirklich alle“, versicherte er und ging, den einen Arm um ihre Schultern gelegt, der Sperre zu. „Ich habe überall erzählt, daß ich an diesem Wochenende meine liebste Freundin besuchen werde.“ Er drückte ihre Schultern mit seiner Hand. „Wie wär’s, wenn wir etwas essen würden? Ich bin hungrig!“
    „Gut! Ich auch!“
    Sie fuhren mit dem Bus in die Innenstadt und fanden eine Schnellgaststätte der Firma Horn & Hardart , die in allen amerikanischen Groß- und vielen Kleinstädten zum Stadtbild gehören wie das Rathaus. Sie beluden ihre Tabletts und fanden einen Tisch in der Ecke. Es war erregend, die Atmosphäre dieser Großstadt mit jemandem zu teilen, der wie sie aus Bridgedale stammte, dachte Liz, und ganz besonders mit Peter, der sicher auch spürte, daß hier alles ganz anders war als daheim. Bridgedale war eine Kleinstadt, mitten im Grünen gelegen. Jedes Haus hatte seine Veranda neben der Eingangstür, auf der Schaukelstühle standen, in denen man sich wiegen konnte, dabei die Nachbarschaft beobachtete und zugleich die neuesten Ereignisse eifrig miteinander durchhechelte. Viele kleine Schokoladengeschäfte gab es, und für gewöhnlich rief man sich in dieser Gemeinde beim Vornamen. Philadelphia dagegen wies eine Unmenge Lichtreklamen auf, bot viel Abwechslung, und es ging dort sehr geschäftig und lebhaft zu. Neben der weltstädtischen Fassade gab es alte verträumte Gassen mit ihren malerischen Winkeln.

Weitere Kostenlose Bücher