Maskerade
jetzt am Bahnhof an. Vorige Woche wurden wir förmlich eingedeckt mit Aufträgen. Du erinnerst dich wohl, wie es in unserm Betrieb vor Weihnachten zugeht. Früh bestellte Weihnachtskarten, späte Herbstgeschäfte...“
Liz erinnerte sich sehr gut. Aber es schien ihr lange her, seit die van Giesensche Druckerei ihr ganzes Lehen bedeutet hatte. „Wie war’s heute?“ hatte sie immer gefragt, worauf Peter wie eine Schallplatte, die täglich neu ahlief , geantwortet hatte: „Anstrengend, sehr anstrengend!“
„Peter“, rief sie impulsiv, „ich glaube, ich habe dir noch gar nichts von der Modenschau erzählt, auf die wir uns alle vorbereiten. Ich hatte einfach tolles Glück. Sozusagen ganz zufällig schickte ich ein Kleid ein, das ich für Penny entworfen hatte. Sie wohnt mit mir auf dem Flur, weißt du, und stell dir vor, man hat es genommen! Ist das nicht aufregend?“
Er nickte ernsthaft. „Deine Mutter hat mir schon davon berichtet.“
„Ja, wirklich?“
„Ich habe Mr. Oxford erzählt, daß du die Modeschule besuchst“, fuhr er fort. „Du kennst doch Mr. Oxford? Er ist einer unserer besten Kunden. Modezeichnen ist ein verdammt schwerer Beruf, meinte er, besonders für ein Mädchen! ,Sagen Sie ihr, sie soll aufgeben’, hat er geraten.“ Peter wiegte weise sein Haupt.
„Oh, ich weiß nicht, woher Mr. Oxford das wissen will. Es kommt wohl hauptsächlich darauf an, wie stark ein Mädchen sich dafür interessiert, finde ich, und ob ihr Wille, sich durchzusetzen, ein paar Rückschläge vertragen kann.“
Peter starrte sie befremdet an. „Himmel, Liz! Ich hoffe, du entwickelst dich nicht zu einer...“
„Zu einer..
„Nun, du weißt schon, zu einer berufstätigen Frau, die Karriere machen will.“
Jetzt starrte sie ihn entsetzt an. „Ich verstehe dich nicht. Aber warum sollte ich auf die Modeschule gehen, wenn ich meine Kenntnisse nicht später einmal praktisch verwenden wollte?“
Er wurde rot. „Nun, ich dachte, du seiest hier, um — nun, eben um... Du weißt schon.“
Ihr stieg gleichfalls das Blut ins Gesicht, denn er hatte ja nur zu recht. Sie war ja ursprünglich wirklich nur hergekommen, weil ihr Wunsch zu heiraten nicht in Erfüllung gegangen war.
Peter legte sein Brötchen auf den Teller zurück und umschloß ihre Hand mit der seinen. „Liz“, bekannte er sehr ernst, „wir wären jetzt schon verheiratet, wenn ich nicht ein solcher Esel gewesen wäre. Mach mir also nichts vor. Du bist nicht zur berufstätigen Frau geboren, sondern zur Ehe!“
„Das weiß ich selbst. Und ich werde auch heiraten und Kinder bekommen, jawohl! Aber ich habe außerdem noch das Talent, eines meiner Kleider in einer Modenschau zeigen zu dürfen, und das in meinem allerersten Monat hier!“
Er schüttelte nachsichtig lächelnd den Kopf. „Liz, es handelt sich um einen kleinen Schülerinnenwettbewerb.“
„Es ist eine Auszeichnung, und ich will nicht, daß du so abfällig davon sprichst!“ schrie sie ärgerlich.
„Liz, das tu’ ich doch gar nicht, aber du sollst dich nicht so benehmen, als hättest du soeben den Nobelpreis gewonnen.“
„Tu’ ich ja nicht!“ stellte sie steif fest, „du verstehst mich nur ganz einfach nicht. Mir jedenfalls bedeutet es etwas.“
Er schüttelte nochmals den Kopf, lenkte dann aber großmütig ein: „Liz, wir wollen nicht darüber streiten. Ich bin dreihundert Meilen weit gereist, um dich einige wenige Stunden zu sehen; also zanken wir uns nicht!“
„Ich will mich ja auch gar nicht zanken“, stimmte sie plötzlich reuevoll zu. „Überlegen wir lieber, was wir heute nachmittag unternehmen.“
„Gut! Was schlägst du vor?“
„Da wäre das Museum, aber an einem Tag wie heute könnte es dort recht kalt und zugig sein, und dann das Franklin-Institut...“
„Wir gehen bloß einfach ins Kino!“
„Einverstanden!“ Sie breiteten die Tageszeitung von Philadelphia, den „ Inquirer “, auf dem Tisch aus und betrachteten zusammen den Spielplan.
„Was für einen Film möchtest du gern sehen?“
„Mir ist’s egal, Liz. Such du aus!“
„Hier ist ein guter. Cara hat ihn angeschaut und findet ihn ausgezeichnet!“
Er las den Titel und runzelte die Stirn. „Ein ausländischer Film?“
„Nun, er hat englische Untertitel. Ich habe mehrere dieser Art gesehen.“
„Du hast dich verändert, Liz. Weißt du das?“
„Ich bin von zu Hause fort und hier in der Schule, und das bereits seit zwei Monaten“, erinnerte sie ihn.
„Dann tut es mir leid, daß du
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