Maskerade der Liebe
vielleicht sogar den ihrer wirklichen Töchter ruinieren würde.“ Sie schluckte. „Von Emily Fairchild ganz zu schweigen.“
Eine Weile blickte die Countess sie nachdenklich an. Dann lächelte sie flüchtig. „Für eine Pfarrerstochter besitzen Sie eine große Unverfrorenheit.“
„Ich habe mit dieser ganzen Sache nicht angefangen, Mylady. Das waren Sie und Ihr Bruder. Aber ich werde es zu Ende führen - mit oder ohne Sie.“
„Sie lassen mir wohl keine Wahl.“
Emily seufzte vor Erleichterung kaum merklich auf. „Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen um mich zu machen. Ich kann mich schon um mich selbst kümmern. Außerdem war Mr. Pollock der Einzige, der sich Freiheiten herausgenommen hat. Alle anderen haben sich als vollkommene Gentlemen verhalten.“
„Sogar Blackmore?“
Es war geradezu unheimlich, wie aufmerksam diese Frau war. Emily zögerte nur einen Augenblick, bevor sie schwindelte. „Ja, sogar der Earl.“
Nun würde die Frage folgen, was dann Mr. Pollock mit seiner Bezichtigung gemeint hatte. Was sollte sie antworten? Wie sollte sie es erklären?
Doch scheinbar lag Lady Dundee nichts daran, sie in Verlegenheit zu bringen. „Also gut, wir werden so weitermachen wie bisher.“ Als Emily sich bei ihr bedanken wollte, meinte sie: „Aber ich werde eine bessere Anstandsdame als bisher sein. Ich möchte nicht, dass so etwas noch einmal passiert.“
„Ich auch nicht“, erwiderte Emily ernst. Selbst Lord Nesfield konnte das nicht von ihr verlangen.
9. KAPITEL
Unsere Gegner verkennen unsere Gedankenschärfe gewöhnlich als kunstreiche Blendung, während sie ihre eigene Schwerfälligkeit mit trügerischen Namen wie Urteilsfähigkeit und Festigkeit belegen . . .
Mary Astell,
Eine Verteidigungsschrift für das weibliche Geschlecht
Die Nachricht, die Emily am Tag nach Lady Astramonts Frühstück erhielt, klang formell. Die Bedeutung, die hinter den Worten steckte, war es nicht.
Schon zum vierten Mal las Emily die Zeilen auf der Rückseite von Lord St. Clairs Visitenkarte. Sie war bemüht, die wahre Bewandtnis herauszufinden.
Liebe Lady Emma,
ich würde mich geehrt fühlen, wenn Sie mich morgen ins British Museum begleiten würden. Die griechischen Marmorwerke von Lord Elgin sind dort ausgestellt, und ich glaube, sie würden Ihnen gefallen. Ich könnte Sie morgen Vormittag um elf Uhr abholen, wenn Sie mitkommen möchten.
Ihr Freund
Ian, Viscount St. Clair
Natürlich hatte sie sogleich zugesagt. Diese Gelegenheit würde sie sich nicht entgehen lassen. Aber die Einladung überraschte sie, da sie von einem Mann kam, der behauptete, sich mehr für ihre Cousine als für sie selbst zu interessieren. Sie steckte die Karte in ihr Retikül und ging zu Lady Dundee, die im Foyer stand und gerade einen Mantel auswählte, der ihr von Carter, dem Butler, gereicht wurde.
„Vielleicht hat Lord St. Clair nur einen netten Ausflug im Sinn“, sagte Emily.
Lady Dundee zog die Augenbrauen hoch. „Ja, und vielleicht gibt es wirklich Trolle. St. Clair hat etwas anderes als einen netten Ausflug vor, da bin ich mir sicher.“
„Ich auch.“ Lord Nesfield hatte sie von seinem Platz am Tisch in der Eingangshalle beobachtet, während sie gesprochen hatten. Nun schaute er Carter finster an. „Lady Dundee kann das selbst machen. Ich werde Sie rufen, sobald wir Sie brauchen.“
Er sagte nichts, bis der Butler außer Hörweite war. Die Diener wussten nichts über Emilys Maskerade, denn weder die Countess noch der Marquess trauten ihnen. Da keiner Lady Dundee oder ihre Kinder kannte, hielt man Emily fraglos für die Tochter der Dame.
Lady Dundee hatte sich sogar eine Geschichte ausgedacht, wie Emily Briefe von ihrem Vater erhalten konnte, ohne dass dies verdächtig wirkte. Sie hatte den Bediensteten mitgeteilt, dass Emily, ein Gast, der bald erwartet wurde, zuvor durch England reiste und man ihre Post für sie aufbewahrte. Dies alles machte es allerdings schwierig, offen zu reden, wenn die Hausangestellten anwesend waren.
Sobald Carter verschwunden war, sagte Lord Nesfield: ,,Als St. Clair vor kurzem hier war, befragte er die Dienerschaft ausführlich. Beinahe wäre ich aus meinem Versteck gekommen, so überzeugt war ich, dass er unser Mann ist.“ Er seufzte. „Aber dann ging er, ohne auch nur zu versuchen, sie zu bestechen, damit er Sophie sehen konnte. Ich wünschte, ich wüsste, was dieser Schurke im Schilde führt.“ „Wie werden es heute erfahren“, sagte Lady Dundee. „Die Frage ist nur, wie“,
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