Maskerade in Rampstade (German Edition)
attraktives Bild. Und dennoch hatte Jojo mich hübsch genannt. Dennoch hatte er mich in die Arme genommen und geküßt. Ich weiß nicht, wie lange ich so dastand und gedankenverloren meine Lippen im Spiegel betrachtete. Dachte ich wirklich, dieser Kuß hätte mein Gesicht verandert? Er hatte es nicht. Überhaupt: Es hatte keinen Sinn noch einen Gedanken an das Vergangene zu verschwenden. Ich würde genug damit zu tun haben, die auf mich zukommenden Probleme zu bewältigen. Rasch schlüpfte ich aus dem Kleid. Die fursorgliche Mrs. Lindon hatte einen eleganten Morgenmantel bereitgelegt, der vermutlich Lady Sylvia gehörte. Diesen ergriff ich nun dankbar und streifte ihn über. Alle Versuche, anschließend mein Kleid mit dem warmen Wasser zu reinigen, scheiterten kläglich, undich konnte nur hoffen, daß bald die Kutsche mit meiner übrigen Garderobe eintraf.
Die dicke Daunendecke auf dem breiten Himmelbett war so verlockend aufgeschlagen, daß ich nicht widerstehen konnte. Ich schlüpfte hinein und streckte mich wohlig aus. Dann bin ich wohl eingeschlafen, und ich erwachte erst wieder, als ich sanft an der Schulter geschüttelt wurde. Verwirrt setzte ich mkh auf und mußte mich erst wieder zurechtfinden. Dann erkannte ich das Rosenzimmer und erblickte die beiden Frauen, die neben meinem Bett standen, ihre Blicke erwartungsvoll auf mich gerichtet
»Ich hätte Sie so gerne schlafen lassen, Miss Matthews«, entschuldigte sich Mrs. Lindon, »doch Mrs. Mallow bestand darauf Sie umgehend aufzusuchen, um Ihnen mitzuteilen, daß sie wohlbehalten in Grandfox Hall eingetroffen ist.«
Meine Müdigkeit war wie weggeblasen. »Mally!« rief ich erfreut und sprang auf, um meine alte. Kinderfrau zu umarmen. »Ach, wie schön, dich wiederzusehen. Wie ist es dir ergangen? Komm, setze dich zu mir. Du mußt mir haargenau schildern, was sich bei euch zugetragen hat.«
Ich sah, daß Mally bereits Gelegenheit gehabt hatte, Mantel und Stiefel auszuziehen. Ihr Gesicht war gewaschen, die grauen Haare wieder ordentlich aufgesteckt. Ich hatte eigentlich erwartet, daß Mally mich umgehend mit einem Schwall von Vorwürfen begrüßen würde. Doch sie war ungewohnt schweigsam, als sie den schweren Lederfauteuil heranzog, um sich darauf niederzulassen.
»Ich werde die Damen lieber alleine lassen. Sie haben sich sicher eine ganze Menge zu erzählen«, meinte die taktvolle Mrs. Lindon und trippelte hinaus, nicht ohne mein verschmutztes Kleid mitzunehmen, das ich achtlos über einen Stuhl geworfen hatte.
Was Mally wohl dazu sagen würde, daß ich ihr eine Bande Straßenräuber zu ihrer Rettung geschickt hatte? Sicherlich würde sie sehr empört sein. Doch bot sie ein Bild von fröhlicher Gelassenheit.
»Ich bin wirklich stolz auf Sie, Miss Sophia«, begann sie völlig unerwartet. »Ich muß Ihnen gestehen, daß ich nicht geglaubt hatte, daß Sie die Sache so meisterhaft in den Griff bekommen würden. Und was ist das doch für ein schönes Haus! Und diese Mrs. Lindon ist eine außergewöhnlich feine Dame. Die Freundlichkeit, mit der sie mich willkommen hieß und das ganze ohne sich anzubiedern, wenn Sie wissen, was ich meine. Nein, das haben Sie wirklich fein organisiert. Mr. Stinford hätte das nicht besser machen können.«
Jetzt war ich wirklich überrascht. Mally mußte schon sehr zufrieden sein, wenn mein Verhalten mit dem von Edward Stinford zu vergleichen war. Edward war ohne Zweifel ihr Favorit. Ja manchmal hatte ich schon den Verdacht gehabt, daß sie diesem Mann mehr Achtung entgegenbrachte als meinem Bruder James oder mir.
Mally sah sich zufrieden im Gästezimmer um und lobte die geschmackvolle Einrichtung und das wärmende Feuer, das im Kamin entzündet worden war. Dann entdeckte sie einen Krug mit Limonade, der auf dem Nachtkästchen bereitstand und sie schenkte jedem von uns ein Glas ein. Aufseufzend nahm sie einen großen Schluck und streckte sich in ihrem breiten, bequemen Stuhl aus.
»Zuerst bin ich natürlich ganz ungeduldig gewesen«, begann sie zu erzählen. »Ich stand da neben der umgekippten Kutsche, und Harry wollte und wollte einfach nicht aufwachen.
Nicht eine Menschenseele ist vorbeigekommen. Und dabei sind Sie doch stundenlang fortgewesen. Sie glauben gar nicht, was für eine Erleichterung es war, als endlich diese netten Bauernburschen kamen, die Sie geschickt hatten, Miss Sophia. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn uns Straßenräuber aufgespürt hätten.«
»Nicht auszudenken«, wiederholte ich matt und
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