Maskerade in Rampstade (German Edition)
einigen reichen Freunden, die dumm genug waren, ihn auszuhalten. Er vergnügte sich mit Damen, die nicht der ersten Gesellschaft angehörten, und wenn man von irgendeinem Skandal zu hören bekam, konnte man sicher sein, daß Richard auf die eine oder andere Weise seine Finger mit im Spiel hatte. Ich kannte den Mann nicht sonderlich gut. Er war fast zehn Jahre älter als ich, und er hat mich aufgrund dieses Altersunterschiedes schon als Kind kaum beachtet. Ich hielt ihn für einen zynischen Tunichtgut von zweifelhaftem Charakter und fand es nicht bedauerlich, daß ich ihn so selten zu Gesicht bekam.
Wie anders dagegen war George, sein um acht Jahre jüngerer Bruder. Seit ich denken konnte, war er der Mann, den ich heiraten wollte. Er hat mir schon als Junge imponiert, als er sich als einziger getraute, ein ungezähmtes Pferd zu besteigen. Er hatte sich zwar nicht lange im Sattel gehalten, bevor ihn der Hengst in weitem Bogen abgeworfen hatte, aber das hatte meiner Bewunderung keinen Abbruch getan. George kannte die lustigsten Geschichten, und er konnte selbst am herzlichsten darüber lachen. George war fröhlich und lebhaft und bildete dadurch einen starken Kontrast zu meinem Bruder James, der der Ernstere und Vernünftigere der beiden Freunde war. George nahm sein Leben leicht und spielerisch. Er war charmant und unterhaltsam. Er flirtete unbekümmert mit jeder Schönheit, die ihm über den Weg lief, und doch hatte ich, obwohl wir nie darüber sprachen, das Gefühl, daß uns mehr verband als nur Freundschaft. Ichspürte, daß für ihn eine künftige Verbindung mit mir ebenso selbstverständlich war wie für mich.
Vor einem Jahr dann hatte uns George mit der Nachricht überrascht, daß er bei den »Horse Guards« eintreten werde. Irgendein entfernter Onkel hatte sich bereit erklärt, ihm ein Offizierspatent zu kaufen, und George kam eines Morgens freudestrahlend nach Matthews Manor geritten, um uns die freudige Neuigkeit zu verkünden. Ich fiel aus allen Wolken. Unsere Freundschaft war schon soweit gediehen, daß ich mir berechtigte Hoffnungen machte, George würde in absehbarer Zeit um meine Hand anhalten, und nun sollte er Winchester verlassen, um in London in ein Regiment einzutreten.
»Es ist doch kein Abschied für immer«, hatte er ausgerufen, als wir uns für einige Minuten alleine im kleinen Salon aufhielten und mir tröstend seinen Arm um die Schulter gelegt. Ich wußte, daß es töricht war, aber mir war sehr nach Weinen zumute. Wie egoistisch von mir, mich nicht zu freuen, wenn George endlich das erreicht hatte, was er sich sehnlichst wünschte.
»Ach, Kleines«, hatte er gesagt und den Finger unter mein Kinn gelegt, um meinen Kopf zu heben, den ich auf die Brust hatte sinken lassen, damit er die Tränen nicht sehen konnte, die in meinen Augen brannten. »Du brauchst doch nicht um den guten, alten George zu weinen, er ist das nicht wert.«
»Doch«, hatte ich widersprochen, und da hatte er sich vorgebeugt und mich ganz zart auf die Wange geküßt.
In diesem Augenblick hatte James den Salon betreten, nachdem er von seinem Morgenritt zurückgekehrt war. Der Bann war gebrochen. Kurz daraufwar George abgereist, und da er nie ein guter Briefschreiber gewesen war, mußten wir uns mit knappen Mitteilungen zufriedengeben, in denen er ständig wiederholte, wie gut es ihm in der Armee gefiel und wie außergewöhnlich ihm seine schneidige Uniform stand. Doch auch diese Nachrichten wurden seltener und blieben schließlich ganz aus. Jetzt, in Friedenszeiten, brauchte ich wenigstens nicht zu befürchten, daß ihm etwas zustoßen könnte, doch ich war sehr enttäuscht, daß er nichts mehr von sich hören ließ.
Eines Abends schließlich, als mein Bruder und ich wie gewöhnlich in der Bibliothek zusammensaßen, um die wichtigsten Probleme und die Tagesereignisse zu besprechen, hatte mir James ruhig und sachlich erklärt, daß er sich mit Miss Elizabeth Hurdon verlobt hatte. Diese Mitteilung hatte mich nicht völlig unvorbereitet getroffen. Wir kannten Elizabeth bereits seit unserer Kindheit, und doch hatten wir sie damals nicht richtig beachtet. Sie war zwei Jahre jünger als ich, die Tochter eines Pfarrers aus der Umgebung und hatte erst in diesem Jahr ihr Debüt gegeben. Ihre Eltern waren hoch achtbare Leute. Der Pfarrer selbst der dritte Sohn eines Viscount. Doch sie waren nicht mit materiellen Gütern gesegnet. Da überdies sechs weitere Geschwister zu versorgen waren, war an einen Aufenthalt der ältesten
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