Maskerade in Rampstade (German Edition)
voll Genuß ein Glas vollmundigen Weins zu Gemüte führte, da wanderten meine Gedanken zurück zu jenem Tag, an dem Georges Brief kam, der schuld daran war, daß ich so überstürzt zu meiner Reise in den Norden aufgebrochen war.
IV.
Es ist jetzt gut drei Wochen her, da saßen mein Bruder James, seine Frau Elizabeth und ich gemeinsam beim Frühstück, als Wickham, unser Butler, eintrat, um uns die Post zu bringen. Er stellte das kleine Silbertablett, auf dem die Briefe lagen, an meinen Platz, obwohl es strenggenommen die Aufgabe der Hausherrin war, die Post zu verteilen. Und seit James im letzten Dezember geheiratet hatte, kam mir diese Rolle eigentlich nicht mehr zu.
Vor etwas mehr als drei Jahren hatte eine heimtückische Krankheit unsere Eltern kurz nacheinander hinweggerafft. Ich war damals achtzehn Jahre alt gewesen und hatte mich gerade in London befunden, um unter der Ägide von Mamas Schwester, meiner Tante Helen, mein Debüt zu geben. Die Nachricht vom Tode meiner Eltern war ein harter Schlag für mich. Unverzüglich kehrte ich nach Hause zurück. Nur zwei kurze Monate lang hatte ich das lebhafte und aufregende gesellschaftliche Treiben in der Hauptstadt in vollen Zügen genossen.
Es war gut, daß ich in meinem Elternhaus sofort alle Hände voll zu tun hatte. Da James damals noch unverheiratet war, übernahm ich die Aufgaben der Hausherrin und versuchte, so gut ich es vermochte, in die Fußstapfen meiner Mutter zu treten. Mama war bei den Pächtern und den Dienstboten gleichermaßen angesehen und beliebt gewesen. Es war anfangs nicht leicht für mich gewesen, dieser neuen Aufgabe gerecht zu werden. Zudem hatte sich meine Mutter fürsorglich um die Alten und Kranken gekümmert, regelmäßig die Pächter des Anwesens besuchtund einen vorbildlichen Haushalt geführt. War ich auch durch all die mir völlig neuen Aufgaben von der Trauer um meine Eltern abgelenkt, so waren die beiden doch auf Matthews Manor noch lange allgegenwärtig.
Die gemeinsame Trauer hatte auch das ohnehin schon gute Verhältnis zu meinem Bruder noch weiter vertieft. James war nur ein knappes Jahr älter als ich. Wir glichen uns durch unser dunkelblondes Haar und die blauen Augen derart, daß man uns leicht für Zwillinge hätte halten können. James hatte sich von klein auf für die Landwirtschaft interessiert. Durch die Verantwortung, die er so plötzlich übernehmen mußte, entwickelte er sich bald zu einem würdigen Nachfolger von Papa. Es gelang ihm nicht nur, das Ererbte zu erhalten, sondern durch günstige Investitionen und eine geschickte Hand in geschäftlichen Dingen, dieses sogar zu vermehren. So waren wir in den letzten Jahren zwar nicht wirklich reich, aber doch durchaus wohlhabend geworden.
Nach dem Trauerjahr nahmen wir auch das gesellschaftliche Leben wieder auf. Der Honourable James Matthews und seine Schwester waren überall gerngesehene Gäste. Wir nahmen an vielen Bällen in unserem Heimatort Winchester teil, wurden oft eingeladen und gaben auch selbst zahlreiche Feste und Unterhaltungen auf Matthews Manor. Diese Ereignisse waren mit denen in London natürlich nicht zu vergleichen. Manchmal sehnte ich mich nach der Hauptstadt. Ich hätte so gerne Bälle und Konzerte besucht, bei denen nicht bereits von vorneherein feststand, daß ich so gut wie alle Anwesenden kannte. Und doch war mir bewußt, daß James und auch ich auf unserem Gut unabkömmlich waren.
Alles in allem verbrachten mein Bruder und ich jedoch eine sehr fröhliche Zeit auf diese Weise. Eine Zeitlang wurden wir zu allen Veranstaltungen von George Willowby begleitet. George war der zweite Sohn eines unserer Grundstücksnachbarn. Sein Vater hatte durch Spiel und diverse Damenbekanntschaften, über die man in Winchester nur hinter vorgehaltener Hand sprach, sein gesamtes Vermögen durchgebracht. Er lebte nunzurückgezogen im Stammhaus seiner Vorfahren, dem einzigen, was ihm noch geblieben war. Die Gemahlin dieses unsteten Mannes, eine reizende Dame, an die ich mich gut erinnere, da sie uns als Kinder oft spannende Geschichten vorgelesen hatte, wenn wir George besuchten, war schon vor Jahren aus Gram gestorben. Georges älterer Bruder, der einst den Titel eines Barons und den Landsitz erben würde, wurde kaum zu Hause gesehen. Wenn man den Gerüchten Glauben schenken durfte, die von der Hauptstadt nach Winchester drangen, so setzte Richard die unselige Tradition seines Vaters fort. Er führte in London ein Leben in Saus und Braus, lebte vom Spiel und
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