Maskerade in Rampstade (German Edition)
an die sprunghaften Redeschwälle der Tante gewöhnen würde. Da nahm sie den Faden schon wieder auf. »Am besten bringe ich dich in dein Zimmer. Und die liebe Kinderfrau auch. Ach, seid uns willkommen.« Mit diesen Worten machte sie eine weit ausholende Geste und schritt vor uns die Treppe hinauf. »Cousine Agathe ist gar nicht gut beisammen«, fuhr sie fort und war unerwartet in einen Flüsterton verfallen. »Der Doktor sagte, es seien die Garnelen gewesen. Ich weiß aber, es war der Hase. Hase ist ihr noch nie bekommen.«
Cousine Agathe mußte meine Gastgeberin, die Herzoginwitwe, sein. Es gelang mir, ein paar Worte des Bedauerns zu äußern, dann fuhr Miss Heather wieder fort: »Wie auch immer«,sagte sie, »Cousine Agathe kann dich leider nicht empfangen. Zumindest nicht heute. Wie sehr sie es auch bedauern mag, sie braucht jetzt Ruhe. Absolute Ruhe. Ach, da sind Sie ja, Mrs. Bilgate.« Die letzten Worte waren an die Haushälterin gerichtet, die uns entgegenkam.
»Das ist unsere liebe Mrs. Bilgate«, wandte sie sich wieder an mich, »die treue Seele dieses Hauses. Was würden wir wohl ohne sie anfangen, frage ich mich oft.«
Mrs. Bilgate ließ» diese Lobpreisungen über sich ergehen und verzog keine Miene. Sie dürfte diese Worte schon unzählige Male gehört haben. »Guten Tag, Miss Matthews«, sagte sie statt dessen und versank in einen Knicks.
»Mrs. Bilgate wird dir dein Zimmer zeigen. Und auch deiner lieben, lieben Kammerfrau. Mich müßt ihr jetzt entschuldigen. Ich muß nach Agathe sehen. Sie wird sich schon fragen, was aus mir geworden ist. Sicher ist sie schon bitter, bitter böse auf mich, weil ich so lange weggeblieben bin. Wir sehen uns später.« Mit diesen Worten hob sie die Hand, winkte mir leicht zu und hastete mit eiligen Schritten den langen, breiten Korridor hinunter.
Mally warf mir einen Blick zu und verdrehte die Augen. Es hatte den Anschein, als würde sie an der redseligen kleinen Dame wenig Gefallen finden.
»Wenn Sie mir bitte folgen wollen«, sagte die Haushälterin und wies mit einer steifen Geste auf zwei nebeneinanderliegende Zimmertüren. »Wir haben zwei benachbarte Zimmer für Sie und Ihre Kammerfrau hergerichtet, Miss Matthews«, sagte sie und schritt uns mit erhabenem Haupt voran, um eine der Türen zu öffnen. »Das ist Ihr Zimmer, Miss Matthews.« Darin stand ein rothaariges Mädchen, das eben dabei war meine Koffer auszupacken. »Und das ist Melissa. Melissa ist eines unserer Mädchen, und sie wird Ihnen zur Hand gehen, solange Sie Gast in unserem Hause sind. Bitte, teilen Sie ihr alle Ihre Wünsche mit. Melissa wird sie gerne erfüllen. Natürlich stehe auch ich Ihnen jederzeit zur Verfügung.« Diese Worte wurden korrekt, wenn auch nicht eben herzlich, vorgebracht. Ich bedankte michhöflich für die Fürsorge. Mrs. Bilgate neigte majestätisch das Haupt und rauschte hinaus.
»Eine unangenehme Frau«, stellte Mally fest, ohne sich um die Anwesenheit des Mädchens zu kümmern. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, möchte ich mich jetzt gerne ein bißchen zurückziehen. Die lange Reise hat mich doch mehr mitgenommen als ich dachte.« Als Mally sich zurückgezogen hatte, beeilte ich mich, Melissa zu begrüßen und ihr zu versichern, daß wir sicher gut miteinander auskommen würden. Das Mädchen war über meine Worte sichdich erfreut, und sie strahlte schüchtern über ihr ganzes sommersprossiges Gesicht.
Während ich mir mit dem Wasser, das bereitgestellt worden war, den Reisestaub von Gesicht und Händen wusch, bat ich das Mädchen meine Reisetasche zu holen, die augenscheinlich in der Kutsche vergessen worden war. Sie eilte pflichteifrig davon und ich beschloß, mich dem Ungetüm von einem Kleiderschrank zuzuwenden, um festzustellen, welches meiner Kleider ich für den ersten Abend auf Rampstade Palace tragen wollte. Schließlich würde ich ja bei dieser Gelegenheit George wiedersehen. Da mußte ich so hübsch aussehen wie nur irgend möglich.
Da vernahm ich plötzlich ein Geräusch vom Fenster her. Es schien, als habe jemand einen Kieselstein gegen die Scheibe geworfen. Gleich darauf dasselbe noch einmal. Ich lief zum Fenster, öffnete es so rasch ich konnte und beugte mich vor, um zu sehen, was da draußen vor sich ging.
Unten auf dem kiesbestreuten Weg stand, die Hände in die Taschen seiner rehledernen Reithosen vergraben, niemand anderer als George. Mein Herz machte einen Sprung. Ich hatte beinahe schon vergessen gehabt, wie gut er aussah. Seine blonden Locken
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